Der Legende verpflichtet

Fahrbericht Kawasaki Z 900

Wir hatten das Vergnügen, zwei Wochen lang eine Kawasaki Z 900 testen zu dürften. Das neue Modell trägt einen legendären Namen aus den 1970er Jahren, wird diesem Anspruch aber voll gerecht. Keine Frage, die Z 900 hat das Zeug zum Bestseller

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Zwei Wochen mit der Kawasaki Z 900 16 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Kawasaki tauft sein jüngstes Nake Bike mutig auf Z 900 nach der legendären Reihenvierzylinder-Kawa aus den 1970er Jahren, die heute noch als Meilenstein in der Motorradgeschichte gilt. Das zeugt von großem Vertrauen der Kawasaki-Chefetage in ihr neues Modell. Rein äußerlich hat die Urenkelin nichts mehr mit ihrer Vorfahrin zu tun. Ihre Optik orientiert sich am Streetfighter-Stil mit tief angesetztem Scheinwerfer und hoch aufragendem Heck. Das Design ist betont aggressiv geraten mit vielen Kanten und Schwüngen.

Heute steckt ja hinter fast jedem Produkt aus Japan eine tiefsinnige Philosophie, zumindest behaupten das die Hersteller. Im Fall der Z 900 nennt sie sich „Sugomi“ und man kann sie als Nicht-Asiate wohl nur begreifen, wenn man Professor der Japanologie ist. Daher versuchen wir es gar nicht erst, sondern kürzen den Exkurs ab: Manche finden das Design zu übertrieben, andere finden es einfach nur geil, ganz besonders die jüngeren Kradfahrer. Der Verkaufserfolg gibt der neuen Z 900 Recht, sie schafft es aus dem Stand auf Rang sechs der Bestsellerliste in Deutschland.

Radikaler Schnitt

Die Z 900 löst die Z 800 ab und hat kaum noch etwas mit der Vorgängerin zu tun. Kawasaki wollte einen radikalen Schnitt. Am deutlichsten wird das am Rahmen sichtbar: Statt wie bisher einen massiven Stahlbrückenrahmen zu verwenden, bildet ein filigraner Rohrrahmen aus Stahl das Rückgrat, der Vorteil ist eine deutliche Gewichtsersparnis. Überhaupt wollte Kawasaki das neue Naked Bike abspecken wo es nur ging, es bringt vollgetankt 212 kg auf die Waage, die Z 800 wog noch stattliche 231 kg. Der Reihenvierzylinder basiert auf dem der Z 1000. Seine Bohrung fällt um 3,6 mm geringer aus, somit kommt die Z 900 auf 948 cm3 Hubraum. Leistung ist mit 125 PS bei 9500/min mehr als ausreichend vorhanden. Der Vierzylinder fasziniert durch einen seidenweichen Motorlauf und große Drehfreudigkeit. Eine Ausgleichswelle unterdrückt erfolgreich Vibrationen, lediglich beim Gaswegnehmen in der oberen Drehzahlhälfte stellt sich kurzfristig ein leichtes Kribbeln ein, das aber nicht weiter stört.

Hohe Leerlaufdrehzahl beim Kaltstart

Beim Kaltstart hebt die Steuerung der Einspritzanlage die Leerlaufdrehzahl auf über 2000/min an. Auch wenn die Auspuffanlage Euro4-konform leise ist, sind die hohen Drehzahlen in der Aufwärmphase unangenehm. Sobald der erste Kilometer absolviert ist, senkt sich die Leerlaufdrehzahl auf ein nervenschonendes Niveau. Die Kupplung kann mit einem Finger bedient werden, die Schaltung arbeitet einwandfrei, der erste Gang rastet jedoch stets mit einem vernehmlichen Krachen ein. Die Gasannahme ist harmonisch sanft, lediglich bei sehr harschen Auf- und Zudrehen des Gasgriffs spürt man leichte Lastwechsel.

Lustigerweise ordnen viele heutzutage die Z 900 tatsächlich als Mittelklasse-Bike ein, dabei hat sie fast einen Liter Hubraum. In Zeiten von 160-PS-Naked Bikes relativiert sich eben vieles. Aber die 900er muss sich nicht hinter ihnen verstecken – im Gegenteil: Sie lässt sich mit einer Leichtigkeit um die Kurven treiben, die so manch größere Konkurrentin vor Neid erblassen lässt.

Agil und präzise auf der Linie

Dazu trägt, neben dem geringen Gewicht, vor allem die Ergonomie bei. Die relativ flache Lenkstange wurde für ein Naked Bike untypisch tief platziert, so dass die Sitzposition deutlich nach vorne orientiert ist. Das hat den Effekt, viel Gewicht auf das Vorderrad zu bringen und es gleichzeitig gut kontrollieren zu können. Interessanterweise ist die Lenkgeometrie gar nicht Mal auf Handlichkeit ausgelegt: Mit einem Lenkkopfwinkel von 65 Grad und einem Nachlauf von 105 mm möchte man annehmen, dass sich die Z 900 eher etwas träge verhält. Doch das ist absolut nicht der Fall, sie zeigt sich sogar in engen Kurven sehr agil.

Die Z 900 besitzt kein High-Tech-Fahrwerk und funktioniert dennoch erstaunlich gut. Die Upside-down-Gabel lässt sich in der Vorspannung variieren, am linken Holm sitzt außerdem die Einstellmöglichkeit der Zugstufe. Hinten ist das Federbein ebenfalls in Vorspannung und Zugstufe einstellbar. Die Kawa erweist sich als sportlich, aber nicht zu straff abgestimmt. Selbst wenn es auf der Landstraße mal holprig wird, filtert das Fahrwerk die Schläge noch gut weg. Die Z 900 ist flotter Gangart sehr zugeneigt, mit ihr kann man es auf kurviger Strecke ordentlich krachen lassen. Sie dreht willig in die Kurve ein, hält exakt die Linie und ein Aufstellmoment beim Bremsen kennt sie kaum. Die Dunlop D 214 Z lassen einen sehr runden Fahrstil zu und erfreuen mit guter Haftung.