Hürden für Europas Presse: EU patzt als Garantin der Informationsfreiheit

Auf dem Papier gewährt die EU Informationsfreiheit und hat Gesetze, um diese zu schützen. In der Praxis schreitet aber eine Erosion der pluralen Medienlandschaft und der Informationsfreiheit voran, befördert auch durch die Politik, warnen Experten.

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Hürden für Europas Presse: EU patzt als Garantin der Informationsfreiheit

Die Vielfalt nimmt ab.

(Bild: Jose Luis Hidalgo R., CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die EU versagt bei ihrer Aufgabe, Informationsfreiheit zu gewähren. Das erklärten Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE und verschiedener Universitäten bei einer Anhörung im Europaparlament. In ihrer dabei vorgestellten "Vergleichenden Analyse von Medienfreiheit und Medienpluralismus in den EU-Mitgliedstaaten" fordern sie deshalb eine konsequente Überprüfung der Medienfreiheit und Medienpluralität. Gegen Verstöße in den EU-Mitgliedsstaaten empfehlen sie Sanktionen, erklärten sie im Innenausschuss des Parlaments .

Anhand mehrerer Studien und dem seit drei Jahren jährlich vom Zentrum für Medienpluralismus vorgestellten "Media Pluralism Monitor" zogen die Experten in der Anhörung eine düstere Bilanz. Einschüchterung von Journalisten und prekäre Arbeitsverhältnisse, Übernahme von Medien durch Politiker oder deren Strohmänner und die zunehmende Medienkonzentration würden quer durch die Union zunehmen.

Beispielsweise rund 62 Prozent der Journalisten in den Niederlanden berichteten von Einschüchterungsversuchen, auch durch die Politik, sagte Thijs Berman, vom Büro des Vertreters für Medienfreiheit der OSZE. Anders als bei angegriffenen Polizisten werde Hetze und Angriffe gegen Journalisten praktisch nicht verfolgt. Hinsichtlich der Diversität der Stimmen in den Redaktionen vergab der Media Pluralism Monitor schlechte Noten, auch für Deutschland: zu wenig Minoritäten und zu wenig Frauen machen Meinung, sagte Pier Luigi Parcu, Direktor des Zentrums für Medienpluralismus

Renate Schröder, Direktorin des Europäischen Journalistenverbands (EFJ), sprach von einer "noch nie dagewesenen Konzentration" der Medienunternehmen in der Gemeinschaft. Entscheidungen wie die Erlaubnis der EU-Kommission für die Übernahme des Senders Sky durch Medienmogul Rupert Murdoch offenbarten, dass eine Prüfung des "öffentlichen Interesses" nicht stattfinde. Die zunehmende Konzentration, befeuert durch Googles und Facebooks Druck auf klassische Medien gefährde letztlich das Grundrecht der Bürger, sich aus verschiedenen Quellen zu informieren.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten kämen damit ihrer Verpflichtung, für eine freie, plurale Medienlandschaft zu sorgen, nicht mehr nach. Im Gegenteil sorgen viele Mitgliedsländer durch neue Gesetzgebung für weitere Einschränkungen. Überwachungsgesetze etwa torpedierten den Quellenschutz. Beim Kampf gegen die viel diskutierten "Fake News" – Berman verwies dabei auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz – befördern Politiker neue Zensurregime:"Zensur zieht stets mehr Zensur nach sich", warnte er.

Statt solcher Verschärfungen sollten die EU Mitgliedsstaaten die Informationsfreiheit besser schützen, empfahlen Petra Bard von der Central European University und Judit Bayer von der Universität Miskolc in Ungarn. In der von der Fachabteilung Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten des Parlaments beauftragten Vergleichsstudie raten sie zu einer Richtlinie über die Grenzen und neue Möglichkeiten der Medienfinanzierung. In der Richtlinie über audiovisuelle Dienste sollte das Pluralismusgebot verbindlich verankert, die Haftbarkeit der Provider dagegen sollte aus der E-Commerce Richtline gestrichen werden, fordern sie.

Mitgliedsstaaten sollten außerdem verpflichtet werden, in einer Datenbank die Eigentumsverhältnisse aller Medien für die Bürger einsehbar zu machen. Der weitgehendste Vorschlag betrifft ein System zur Durchsetzung der Informationsfreiheitsgrundrechte gegen die EU-Regierung. Fällt ein Mitgliedsstaat hinter seine grundrechtlichen Verpflichtungen zur Informationsfreiheit zurück soll er fünf Jahre lang unter genaue Beobachtung einer von der Kommission ernannten unabhängigen Expertengruppe gestellt werden. Ist die Situation dann nicht besser, muss die Kommission Sanktionen verhängen, frei nach dem Motto "five-strikes and you pay". (mho)