Zensur in China: Apps blockieren vor allem soziale Themen

Das chinesische Lizenzsystem für Apps zwingt die Anbieter, Äußerungen ihrer User einzuschränken. Weil das Client-seitig erfolgt, ermöglicht das die Analyse der Listen verpönter Worte.

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Xi Jinping an Tisch mit Wimpel der VR China

Selbst der Name von Staatspräsident Xi Jinping (Bild) steht auf dem Index.

(Bild: kremlin.ru CC BY 4.0)

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Chinesische Apps unterdrücken regelmäßig schon im Endgerät des Users dessen missliebige Äußerungen in Chats, aber auch Usernamen. Die in den Source Codes der Apps eingebauten Sperrlisten stammen aber nicht von einer Behörde, sondern werden von App-Entwicklern und/oder -Herausgebern erstellt. Das zeigt eine Analyse chinesischer Spiele-Apps durch das Citizen Lab der Universität Toronto. Die Ergebnisse wurden am Montag in Vancouver auf dem Usenix-Workshop FOCI '17 (Workshop on Free and Open Communications on the Internet) präsentiert.

Jeffrey Knockel vom kanadischen Citizen Lab

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Der Informatiker Jeffrey Knockel und seine Kollegen vom Citizen Lab haben hunderte beliebte chinesische Spiele-Apps reverse engineered, um so an die Zensurlisten zu gelangen. Anhand dieser Indizes verhindern die Apps, dass Nutzer sich frei in Spiele-Chats äußern oder sich beliebige Usernamen geben.

Die Forscher fanden viele sehr ähnliche Indizes, die aber nicht von der Region innerhalb der Volksrepublik oder dem Veröffentlichungsdatum der App abhingen. Vielmehr wurde deutlich, dass bei sehr ähnlichen Listen Entwicklerfirma und/oder Herausgeber identisch waren. Diese erstellen also die Zensurlisten selbst, schlossen die Forscher.

Außerdem analysierte das Team 7.000 Wörter oder Begriffe, die es zufällig aus 183.111 Einträgen in den Zensurlisten ausgewählt hatte. Dabei zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der Begriffe in die Kategorie Soziales fällt. Dabei geht es vor allem um Glücksspiel und Pornographie. Etwa jeder sechste Eintrag gehört zur Kategorie Technik, wobei es insbesondere um URLs und Chat-IDs geht, aber auch um Werkzeuge zur Umgehung der Zensur.

Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, 1955-2017

(Bild: Blatant World CC BY 2.0)

Der Rest verteilt sich auf 15% Politik (die kommunistische Partei, Behörden, Religion, Außenbeziehungen), 7% Personen (Funktionsträger und deren Familien, Dissidenten und andere Namen), 5% Ereignisse (etwa die blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung des Jahres 1989) und 6% Sonstiges. Die privatwirtschaftlichen Zensoren sind dabei recht umsichtig und sperren auch Umschreibungen, wie etwa "Person, die den Preis nicht entgegennehmen kann". Damit wäre der im Juli verstorbene Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gemeint.

Der Name des amtierenden Staatspräsidenten und Generalsekretärs des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, Xi Jinping, darf ebenfalls nicht erwähnt werden. Andernfalls könnte er in unschmeichelhaften Zusammenhang gesetzt werden. Auch hierbei fanden die Forscher eine kreative Umschreibung in den Sperrlisten: Das erste Schriftzeichen war durch ein optisch sehr ähnliches ersetzt worden, das völlig anders ausgesprochen wird als Xi. Die beiden weiteren Schriftzeichen waren durch völlig anders aussehende ersetzt worden, die laut ausgesprochen ähnlich klingen, wie Jinping.

Die Volksrepublik China beschäftigt Heerscharen von Zensoren. Allerdings werden auch private Unternehmen immer mehr in die Pflicht genommen: Sie müssen missliebige Äußerungen ihrer Kunden unterdrücken. Der Druck ist groß, denn in China haften auch die Übermittler für Mitteilungen Dritter. Und es gibt ein umständliches Lizenzsystem [–] wer nicht spurt, wird vom Markt ausgeschlossen. Und die Volksrepublik ist der weltweit größte Markt für mobile Spiele.

Verboten sind in China laut Knockel Online-Spiele, die zulassen, dass Inhalte verbreitet werden, welche

  1. die Grundprinzipien der Volksrepublik verletzen;
  2. die Nationale Einheit, Souveränität und territoriale Integrität gefährden;
  3. Staatsgeheimnisse verraten, die Staatssicherheit gefährden oder Ehre und Interessen des Staates schaden;
  4. ethnischen Hass und Diskriminierung anfachen, die ethnische Einheit gefährden oder ethnische Rituale und Gebräuche beschneiden;
  5. häretische Ideen oder Aberglauben fördern;
  6. Gerüchte streuen oder die soziale Ordnung und Stabilität gefährden;
  7. Obszönitäten, Pornographie oder Glücksspiel verbreiten, oder Gewalt und Verbrechen unterstützen;
  8. andere bloßstellen oder verleumden, oder in deren Rechte eingreifen;
  9. die soziale Moral verletzen;
  10. oder verletzen, was sonst durch Gesetze oder Verordnungen untersagt ist.

(ds)