Abgas-Skandal: Erstes US-Urteil gegen VW-Mitarbeiter, Fahndung nach Führungskräften

Erstmals wird die US-Justiz einen VW-Mitarbeiter für seine Rolle in der "Dieselgate"-Affäre verurteilen. Doch der geständige Angeklagte ist nicht der Mastermind des Betrugs - da sind die Strafverfolger sicher. Auf ihrer Fahndungsliste stehen größere Namen

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Verrauchtes VW-Logo
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  • dpa
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Dem Volkswagen-Konzern hat der Abgas-Skandal in den USA bereits Milliarden an Bußgeldern und Entschädigungen eingebrockt, nun wird das erste Urteil gegen einen Mitarbeiter erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Dollar für den langjährigen VW-Ingenieur James Liang. Der 63-jährige Indonesier mit deutscher Staatsbürgerschaft wird beschuldigt, die US-Behörden über den Einbau einer illegalen Software zur Manipulation von Abgaswerten in Dieselwagen getäuscht zu haben.

An diesem Freitag (25. August) soll der zuständige Richter bei einer Anhörung in Detroit (16.00 Uhr MEZ) über das Strafmaß entscheiden.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

Liang ist einer von acht amtierenden und früheren Mitarbeitern des VW-Konzerns, gegen die bislang wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze US-Strafanzeigen gestellt wurden. Der seit 1982 bei VW tätige Dieselexperte hatte frühzeitig ein Geständnis abgegeben und mit den US-Ermittlern kooperiert. Das dürfte ihm beim Urteil zugute kommen – die Forderung der Strafverfolger liegt deutlich unter dem gesetzlichen Höchstmaß von sieben Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von bis zu 400.000 Dollar.

Liang wird laut seinem Anwalt Daniel Nixon als Mann vor Gericht treten, der "die volle Verantwortung für seine Taten akzeptiert" und seine Rolle "im weitreichenden Betrug" von VW zugibt. Nixon hält eine Bewährungsstrafe mit einem Jahr Hausarrest, 1500 gemeinnützigen Arbeitsstunden und einem geringen Bußgeld für ausreichend. "Er war nicht durch Gier oder persönliche Bereicherung motiviert", erklärte der Anwalt. Vielmehr sei Liang als loyaler VW-Mitarbeiter zum Opfer einer Unternehmenskultur geworden, die "keinen Widerspruch erlaubte".

Auch die Staatsanwaltschaft hält Liang nicht für den Mastermind im Abgas-Skandal. "Er saß weder in den Vorstandsetagen von VW, wo die Betrugs-Software diskutiert wurde, noch hat er andere am kriminellen Komplott Beteiligte im Unternehmen angewiesen oder beaufsichtigt." Dennoch sei der Ingenieur als "Leiter der Dieselkompetenz" der US-Tochter von VW jahrelang am Schwindel rund um Zertifizierung und Tests manipulierter Dieselwagen beteiligt gewesen und müsse dafür eine gerechte Strafe erhalten, heißt es in der Forderung der Anklage.

Bei Betrachtung der übrigen Beschuldigten wird aber rasch deutlich, dass das erste "Dieselgate"-Urteil gegen einen Mitarbeiter ein eher kleines Licht in der Konzern-Hierarchie treffen wird. Die US-Justiz sucht nach deutlich größeren Namen – auf ihrer Fahndungsliste steht etwa der frühere Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer.

Das Problem der Amerikaner ist jedoch, dass mit Oliver Schmidt, der bis 2015 in leitender VW-Funktion mit Umweltfragen in den USA betraut war, außer Liang bislang nur ein weiterer Angeklagter gefasst werden konnte. Die restlichen Beschuldigten werden in Deutschland vermutet, wo sie vor den US-Ermittlern relativ sicher sind. Einzig einem Ex-Manager der tief in den Skandal verstrickten VW-Tochter Audi, der Anfang Juli wegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München in Untersuchungshaft genommen wurde, droht derzeit die Auslieferung.

Volkswagen hatte im September 2015 nach Vorwürfen der US-Umweltbehörden eingeräumt, mit einer speziellen Software in großem Stil bei Abgastests getrickst zu haben. Nachdem die rechtlichen Konsequenzen auf Konzernebene durch mehrere milliardenschwere Vergleiche mit Klägern in den USA weitgehend abgeschlossen sind, versuchen die US-Behörden nun mit Hochdruck, die verantwortlichen Führungskräfte strafrechtlich zu belangen. In den USA waren fast 600 000 Autos vom Betrug betroffen, weltweit rund elf Millionen. (jk)