Drohnen: Follow Me

Was haben Hobbyfilme und Häuserkriege gemeinsam? Bei beiden könnten in Zukunft Roboter Regie führen. Unternehmen entwickeln Drohnen, die Menschen erkennen, ihnen folgen – und bald nicht nur Fotos schießen dürften.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hans Dorsch
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Da! Sie blickten hoch: Dutzende surrender schwarzer Objekte strömten aus verschiedenen Richtungen über die Galerie. Sie sahen aus wie Spielzeug: halbmetergroße Quadrocopter mit einer Art Drahtrahmen und einem runden Körper in der Mitte – wie seltsame geflügelte Insekten. Sie schienen auf Rippers Bewegung oder Stimme zu reagieren, denn sie ergossen sich sofort in einer sich verdichtenden Wolke herab." (Daniel Suarez, "Kill Decision")

Daniel Suarez beschreibt 2012 in seinem Technikthriller "Kill Decision", wie autonome Drohnen Jagd auf Menschen machen. Sie spüren ein Team aus Wissenschaftlern und Technikern auf, verfolgen sie und attackieren sie mit Waffen. Damals war es noch Science-Fiction. Aber im April 2017 zeigte Adam Bry auf der Emtech-Konferenz der MIT Technology Review Videoaufnahmen einer Drohne, die seine Firma Skydio noch dieses Jahr auf den Markt bringen will.

TR 7/2017

Dass sie selbstständig und scheinbar mühelos durch Bäume steuert und sogar einzelnen Blättern ausweicht, war spektakulär – aber nicht das eigentlich Besondere. Wirklich erstaunlich war, dass sie dabei einen Menschen verfolgte, von dem man ihr lediglich Bilder der eingebauten Videokamera vorgesetzt hatte. Die Person versuchte zu entkommen und sich zu verstecken. Aber die Drohne blieb ihr immer auf den Fersen.

"Vor drei Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ein Algorithmus, dem man einfach ein Rohbild vorsetzt, eine Person so präzise herauspicken kann", sagt Adam Bry. Die Bilder aus der Drohnenkamera erinnern an Verfolgungsjagden, wie man sie aus Thrillern oder Actionfilmen kennt. Und das kommt nicht von ungefähr, denn die Drohne weiß, wie welche Situation am besten aufgenommen wird. "Die Drohne kombiniert die Dinge, die sie vorhat, mit dem, was sie sieht und was die Umgebung zulässt", sagt Bry. Sie ist für friedliche Anwendungen gedacht. Für Consumer. Für Freizeitsportler, die sich beim Actionsport oder beim Basketball filmen möchten. Oder Vlogger, die ihren Alltag bei YouTube online dokumentieren.

Aber auch militärische Einsätze sind denkbar. Laut einem Bericht des US-Magazins "Wired" will das US-Marinekommando noch in diesem Jahr Einheiten mit Mini-Drohnen für Aufklärungseinsätze ausstatten. Da die traditionellen Entwicklungsprozesse des Militärs für diese ehrgeizigen Zeitpläne zu langsam sind, prüfe man auch "unkonventionelle Ansätze", also zum Beispiel modifizierte Drohnen, die eigentlich für Konsumenten konzipiert sind.

Wann genau die erste Skydio-Drohne auf den Markt kommt, will Bry nicht sagen. Wenn es so weit ist, wäre der Unterschied zu heutigen Modellen jedoch deutlich. Bisherige Selfie-Drohnen müssen Nutzer noch selbst steuern, jedenfalls zu einem gewissen Grad. Seit Kurzem ist im deutschen Apple Store beispielsweise die Hover Camera Passport zu haben. Die Drohne, die eher aussieht wie ein schwebendes Taschenbuch, nutzt nach Angaben des Herstellers Gesichtserkennung, um sich an ihren Besitzer zu heften. Auch die Breeze von Yuneec, erhältlich für unter 500 Euro, folgt einem festgelegten Objekt, zum Beispiel einem Menschen.

Bequem sind beide. Sie lassen sich aus der Hand starten und können automatisch unterschiedliche Manöver fliegen. Weil Selfie-Drohnen auch in Innenräumen fliegen sollen, nutzen sie zusätzlich zu GPS Ultraschallsensoren und eine Technik namens Optical Flow zur Navigation. Sie nimmt die Umgebungsbilder der Kamera als Anhaltspunkt. Dazu merkt sich eine Software markante Punkte, zum Beispiel die Kanten einer Tür. Verändert sich deren Lage im Bild, kann das Programm daraus die relative Position errechnen.

Erste Tests zeigten aber, dass die Erkennung sehr stark von den Lichtverhältnissen abhängt und selbst unter guten Bedingungen nur unzuverlässig funktioniert. Nicht selten verlieren die Drohnen ihr Ziel und fliegen ziellos davon. Hindernisse erkennen die kleinen Drohnen auch nicht. Darauf muss der User selbst achten.

Für wenige Hundert Euro mehr bekommt man Multikopter, die vor Hindernissen bremsen und sie auch umfliegen. Das FlightAutonomy-System der DJI Mavic Pro etwa nutzt GPS zusammen mit fünf Kameras und zwei Ultraschall-Entfernungsmessern, um die eigene Lage im Raum zu erkennen und die von Objekten um sie herum bis zu einem Abstand von 15 Metern. Das schafft sie bis zu einer Geschwindigkeit von immerhin 36 Kilometern pro Stunde. Ausreichend Licht und gute Kontraste sind allerdings immer noch nötig. Helle Hindernisse vor hellem Hintergrund sind also tabu.