Der Dieselstreit geht weiter

Der Streit um die Ergebnisse des Dieselgipfels vor drei Wochen geht weiter – und angesichts des Wahlkampfes wird sich daran kaum etwas ändern.

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Auspuff, VW, Volkswagen, Abgas-Skandal
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  • dpa

Der Streit über die Zukunft von Verbrennungsmotoren könnte im Herbst zu einem Knackpunkt bei Koalitionsverhandlungen werden. Während die CSU einen Ausstieg als nicht verhandelbar bezeichnete, bekräftigten die Grünen, nur eine Koalition einzugehen, die das Ende dieser Technik einleite. "Ein Verbot des Verbrennungsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands", sagte CSU-Chef Horst Seehofer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist in Koalitionsgesprächen für die CSU genauso wenig verhandelbar wie Steuererhöhungen, eine Erleichterung der Zuwanderung
und eine Lockerung der Sicherheitspolitik."

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir erwiderte in den Montagsausgaben der Funke-Mediengruppe: "Grüne gehen in keine Koalition, die nicht das Ende der Ära des fossilen Verbrennungsmotors einleitet und den Einstieg in den abgasfreien Verkehr schafft". Dabei geht neben der Debatte um die langfristige Zukunft von Verbrennungsmotoren auch der Streit um Nachbesserungen an Dieselfahrzeugen und die Möglichkeiten zur Schadstoffreduzierung in besonders betroffenen Städten weiter. Sollte sich die Schadstoffbelastung nicht verringern, drohen in zahlreichen Städten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wandte sich am Samstag gegen ein Aus für Dieselmotoren. "Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalverschiss geraten, aber das ist nicht richtig", sagte sie. Mit Blick auf mögliche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen wandte sie ein: "Das Wesen der Koalitionsverhandlungen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, da auch mit den Grünen überein zu kommen."

Die Autoindustrie wehrt sich unterdessen weiter gegen die Forderungen nach technischen Nachrüstungen ihrer Dieselfahrzeuge. Gut drei Wochen nach dem sogenannten Dieselgipfel sei es sinnvoll, erst einmal die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, sagte der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, in der "Passauer Neuen Presse" am Wochenende. Das sehen auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) so.

Der Dieselmotor habe einen geringen CO2-Ausstoff, Stickoxide würden in der neuesten Entwicklungsstufe durch Zuführung von Harnstoff weitgehend neutralisiert, sagte Zypries. Deswegen werbe sie dafür, dass Autoindustrie und Politik gemeinsam die Haltung verträten: "Jetzt verteufelt nicht den Diesel, sondern haltet ihn hoch und entwickelt ihn lieber weiter." Unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), aber auch Grüne, hatten die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen der Fahrzeuge aufgefordert. Die auf dem Dieselgipfel Anfang August vereinbarten Software-Updates reichten nicht aus, um Fahrverbote für Dieselautos in den betroffenen Städten zu vermeiden. Grundlage dafür sind Berechnungen des Umweltbundesamtes, wonach die Nachbesserung und die Umtauschprämien für ältere Diesel nicht ausreichen, um in Städten die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid spürbar zu senken.

Einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) zufolge geht das Amt in einem älteren internen Papier aus dem Oktober 2016 allerdings auch davon aus, dass technische Umrüstungen der Autos – sofern sie überhaupt möglich sind – nicht viel im Kampf um die Luftqualität in den Städten helfen würden, dafür aber unverhältnismäßig teuer würden. Die Ergebnisse dieses Papiers seien wegen der technischen Entwicklung aber inzwischen längst überholt, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Sonntag in Berlin. Das Papier beziehe sich gar nicht auf mögliche Maßnahmen durch die Autohersteller selbst.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte in der FAS, Hendricks Forderung nach technischen Nachrüstungen. Zunächst müsse man abwarten, was die beschlossenen Maßnahmen bringen würden. "Das werden wir tun. Pauschale Aussagen helfen nicht viel weiter". VDA-Chef Wissmann bekräftigte, dass für die meisten Dieselfahrzeuge technische Änderungen gar nicht möglich wären, weil der Platz für die Nachrüstung etwa mit größeren Tanks für die Abgasreinigung fehle. "Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendigen Tests abgenommen werden", sagte Wissmann. "Wer schnelle Lösungen will, darf nicht nach Hardware-Nachrüstungen rufen."

Wissmann räumte erneut ein, dass die Branche Vertrauen verspielt habe: "Es ist richtig: Mancherorts sind schwere Fehler passiert. Da ist diese Kritik berechtigt", sagte er der Zeitung. Es dürfe aber kein Pauschalurteil über die gesamte Branche gefällt werden. "Diesen wichtigen Unterschied machen sowohl Frau Merkel als auch Herr Schulz. Wer genau zugehört hat, weiß auch, dass beide den Diesel verteidigen und nicht nach Hardware-Nachrüstungen rufen."

Eine weitere Variante zur Vermeidung von Fahrverboten sieht der Leiter des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Verkehrssysteme, Matthias Klingner, in der Lockerung der Grenzwerte für Feinstaub. "Feinstaub und Stickoxide lassen sich durch die Einstellung des Motors nicht gleichzeitig reduzieren", sagte Klingner der "Welt am Sonntag". Angesichts strenger Werte für Feinstaub seien die Motoren eher in diese Richtung optimiert worden. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ließen sich vermeiden, wenn der strenge Grenzwert für Feinstaub gelockert werde. Dann könnten Motoren so eingestellt werden, dass der Treibstoff bei geringeren Temperaturen verbrennt und dabei weniger Stickoxide entstünden. (uma)