Dieselskandal: Ex-Innenminister Baum will VW mit Klagewelle überziehen

Knapp zwei Jahre nach dem Auffliegen der Abgasmanipulationen bei Volkswagen hat der Liberale Gerhart Baum angekündigt, für rund 5000 Kunden des Konzerns gesammelt Schadenersatz erstreiten zu wollen.

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Verrauchtes VW-Logo
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Über 16,5 Milliarden US-Dollar Schadenersatz und Strafen zahlt VW in den USA, nachdem dort im September 2015 die Dieselaffäre ihren Lauf nahm. In Europa weigert sich VW dagegen mit aller Kraft, die von den Abgasmanipulationen betroffenen Kunden entsprechend zu entschädigen. Zumindest für 5000 Käufer einschlägiger Dieselfahrzeuge hierzulande soll Volkswagen aber blechen müssen: Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum kündigte am Montag an, mit seinem Anwaltsbüro "Baum Reiter & Collegen" sowie einer Partnerkanzlei bis zum Jahresende im Namen dieser Kunden "im Sammelverfahren" auf Schadenersatz zu klagen.

Baum und seine Mitstreiter bieten über eine gesonderte Webseite gehörnten VW-Käufern die Möglichkeit, sich über individuelle Anspruchsmöglichkeiten zu informieren oder bei der gemeinnützigen Stiftung "Stichting Volkswagen Car Claim" einem gebündelten Klageverfahren anzuschließen. VW-Aktionäre können zudem einem bereits eröffneten Kapitalanlegermusterfahren beitreten, um eine mögliche Verjährung zu verhindern. "Eine Anmeldung ist bis Anfang September 2017 möglich", heißt es. Baums Kollege Julius Reiter betont: "Im Interesse unserer Mandanten setzen wir nicht mehr allein auf einen Vergleich, sondern haben begonnen, Klagen vor deutschen Gerichten einzureichen."

Nun soll die große Welle an Verfahren folgen. Baum räumte gegenüber Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ein, dass dieser Schritt für die Justiz hierzulande eine große Belastung darstellen könnte. Es gebe auch angesichts der Verjährungsfrist bis Ende des Jahres jedoch keine Alternative. Der Bundesregierung warf der FDP-Politiker vor, es aus Rücksicht auf VW versäumt zu haben, eine echte Sammelklage zu ermöglichen. Volkswagen selbst habe Gespräche über einen Vergleich "abgeblockt".

Laut VW sind bei Gerichten in Deutschland rund zwei Jahre nach den ersten US-Vorwürfen etwa 5000 Klagen wegen der Abgasaffäre anhängig, 70 bis 75 Prozent der bisher ergangenen Urteile seien zugunsten des Konzerns ausgefallen. Öffentliche Informationen über gezahlte Summen gibt es nicht. Nun sollen noch einmal Verfahren in gleicher Größe dazukommen. Insgesamt dokumentieren diese Zahlen angesichts von 2,5 Millionen betroffenen Kunden aber nur die "Ohnmacht des Verbrauchers", meint Baum. Es sei "Wahnsinn" für Käufer wie für Gerichte, dass Schadenersatzansprüche in Deutschland bislang nur einzeln geltend gemacht werden könnten.

VW hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die in die problematischen Diesel eingebaute Software stelle "keine unzulässige Abschalteinrichtung nach europäischem Recht" darstelle. Die Abgasreinigung sei also nicht illegal nach der offiziellen Messung auf dem Prüfstand weitgehend deaktiviert worden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbz) fordert seit Längerem, dass VW "endlich auch seinen europäischen Kunden entgegenkommen" müsse. Die Betroffenen sollten "Garantien für nachgerüstete Fahrzeuge" und "Entschädigungen wie auch in den USA" erhalten.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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(jk)