Kommentar: Keine Zukunft mit der Cloud

Beim Thema Cloud fürchten die meisten Nutzer den Verlust ihrer Daten. Doch für Administratoren wie Anatoli Kreyman geht es um nicht weniger als ihren Arbeitsplatz.

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Kommentar: Keine Zukunft mit der Cloud
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Kürzlich bei einer Informationsveranstaltung eines führenden Cloud-Anbieters: Ein Besucher fragte, ob die gesamte lokale Infrastruktur seines Kunden konvertiert und in die Cloud des Providers übertragen werden könnte. Nach dem "Ja" wirkte er überaus glücklich, denn nun konnte er einen lästigen Kunden loswerden.

Ich muss gestehen, mich hat die Reaktion des Mitarbeiters eines ziemlich kleinen Systemhauses gewundert. Wäre es nicht klüger, die Probleme gemeinsam mit dem Kunden zu lösen, statt ihn verlieren zu wollen? Kunden wachsen schließlich nicht auf Bäumen. Wenn alle Mandanten solcher kleinen IT-Unternehmen in die Cloud wechseln, womit sollen sich ihre Mitarbeiter in Zukunft beschäftigen?

Ein Kommentar von Anatoli Kreyman

Anatoli Kreyman arbeitet zurzeit als Consultant bei einem führenden Unternehmen auf dem deutschen IT-Markt und befasst sich mit verschiedenen Virtualisierungslösungen.

Zweifellos ist die Cloud eine nützliche und attraktive Technik. Bei der Infrastructure as a Service (IaaS) muss sich der Kunde nicht mehr um den Betrieb physischer Server in seinem Rechenzentrum kümmern. Das spart Betriebskosten und Investitionen – nach der Migration in die Cloud muss man keine Hardware mehr aussuchen, testen und kaufen. Und man braucht keine Mitarbeiter mehr, die sie warten und bedienen.

Die Software as Service (SaaS) wiederum macht die Angestellten zur Betreuung von Email-, CRM- oder ERP-Systemen überflüssig. Die Cloud stellt alle nötigen Funktionen zur Verfügung, ohne dass sich jemand in der Firma um das Backend kümmern muss. Zudem hält der Provider die Anwendungen stets auf dem neuesten Stand, vor Ort muss niemand mehr Updates einspielen.

Trotzdem: Die Begeisterung meiner Kollegen hinsichtlich der Cloud-Einführung kann ich nur schwer nachvollziehen. Ein Kunde der in die Cloud wechselt, ist nicht länger ihr Kunde, sondern der des Providers. Das nimmt den Systemintegratoren die wiederkehrenden Umsätze: Sie müssen keine neue Hardware mehr verkaufen, wenn die Garantiefrist abgelaufen ist. Aktualisierungen spielt der neue Anbieter automatisch ein und er stellt auch den Support.

Ich hatte die Gelegenheit an einem Projekt teilzunehmen, in dem die gesamte lokale Infrastruktur in die Cloud übertragen wurde. Am Ende verloren über ein Dutzend Kollegen der IT-Abteilung ihren Arbeitsplatz. Dennoch nehmen viele naiv an, dass die Cloud höchstens den Wechsel des Arbeitgebers nach sich zieht. Doch das Können und Wissen des durchschnittlichen Administrators reicht häufig für einen großen Cloud-Provider nicht aus. Und leider schafft nicht jeder die Umschulung in einen neuen Beruf.

Die Cloud-Zukunft wird zweifelsohne interessant – insbesondere wenige, große Konzerne blicken ihr mit Freuden entgegen. Aber für viele Kollegen und kleine Unternehmen sieht sie düster aus. Ich bin davon überzeugt, dass die rasante Verbreitung der Cloud meine berufliche Zukunft als Systemingenieur existenziell bedroht. (fo)