Post aus Japan: Die Jagd nach Nordkoreas Bomben

Beim Twitter-Krieg von US-Präsident Donald Trump gegen Nordkorea gehen Japan und Südkorea fast unter. Dabei sind auch sie im Visier von Kim Jong Uns Raketen. Sie versuchen sich zu schützen – mit verschiedenen Systemen der Raketenabwehr.

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Von
  • Martin Kölling
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Nordkorea hat am Sonntag mit seinem sechsten Atombombentest unter Beweis gestellt, dass es schneller als erwartet zu einer vollwertigen Atommacht werden will. Doch für die Anrainer ist das eigentlich keine Überraschung. Japan und Südkorea bereiten sich schon seit Jahren darauf vor, anfliegende Kurz- und Mittelstreckenraketen abzufangen.

Am weitesten ist Japans System entwickelt. Bereits in den 90er Jahren wurden die Strategen von Chinas Aufbau einer Raketenstreitmacht beunruhigt. Als Nordkorea dann 1998 eine Taepodong-Mittelstreckenrakete abschoss, schritt die Regierung zur Tat. In enger Zusammenarbeit mit den USA begann sie die Entwicklung eines zweistufigen Raketenabwehrsystems, eines zur See und eines an Land.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Auf See setzt Japan auf das Aegis-Kampfsystem, das derzeit auf vier Kriegsschiffen eine Raketenabwehr durchführt. Zwei weitere Schiffe werden aufgerüstet. Bis 2021 soll die Zahl der schwimmenden Raketenbasen auf acht ansteigen. Der Radar des Systems kann tausende von Flugkörpern gleichzeitig verfolgen und mit SM-3-Raketen (SM für Standard Missile) ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen in der mittleren Flugphase im Weltraum abfangen.

Das System setzt dabei auf Hit-to-kill, also darauf, einen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fliegenden Körper quasi mit einer kleinen Kugel zu treffen. Die Reichweite ist allerdings auf 700 Kilometer beschränkt. Die USA und Japan entwickeln daher Raketen des Typs SM-3 Block II A mit bis zu 2500 Kilometer Reichweite und 15-facher Schallgeschwindigkeit. Ab dann soll ganz Japan abgedeckt werden können. Doch das System ist noch nicht reif für den Einsatz. Dieses Jahr gelang ein Test, ein anderer Schlug fehl.

An Land hat Japan PAC3-Einheiten stationiert, PAC steht für Patriot Advanced Capability. Die erste Batterie wurde 2007 im Luftwaffenstützpunkt Iruma bei Tokio eingerichtet. Sie fangen Sprengköpfe in der letzten Flugphase ab. Inzwischen gibt es 32 Einheiten, teilt das Verteidigungsministerium mit. Japans Regierung will weiter aufrüsten, um mehr Gegenden der sehr lang gestreckten Inselkette gegen anfliegende Raketen schützen zu können.

2020 soll dann die nächste Generation PAC-3 MSE (Missile Segment Enhancement) angeschafft werden. "Our best just got better", bewirbt der amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin sein Produkt. "Unser bestes Stück ist noch besser geworden." Unter anderem soll dieses "Stück" weiter als 35 Kilometer auf immerhin 50 Prozent höher auf 36 Kilometer über Normalnull fliegen können.

Darüber hinaus wird immer offener darüber diskutiert, dass sich Japan erstmals seit dem Weltkrieg klar offensive Waffen wie Kampfbomber und Lenkwaffen anschafft. Die Idee ist, bei Gefahr im Verzug Raketenbasen in Feindesland präventiv anzugreifen, um den bevorstehenden Start von Raketen zu verhindern.

Südkorea hat sich hingegen 2016 für die amerikanische Terminal High Altitude Area Defense THAAD (THAAD) entschieden. Die Reichweite seiner Raketen ist größer als die von PAC-3-Systemen und soll damit vor allem Kurz- und Mittelstreckenraketen am Ende mittleren und in der letzten Flugphase zerstören.

Die erste Einheit wurde diesen Sommer aufgebaut, gegen massive Proteste der Bevölkerung und Chinas. China befürchtet, dass das System gegen seine Atomraketen eingesetzt werden könnte. Das Land hat daher einen regelrechten Wirtschaftsboykott gegen südkoreanische Firmen und Produkte gestartet, der Unternehmen wie die Einzelhandelskette Lotte oder den Autobauer Hyundai in China schwer getroffen haben.

Nach Nordkoreas Langstrecken- und Atombombentests hat sich Südkoreas neuer Präsident Moon Jae-in allerdings entschieden, auch die abgesprochenen restlichen vier Einheiten wenigstens vorübergehend zu stationieren. Und damit nicht genug: Nordkoreas Atombombentest hat auch der Diskussion um eine weitere Aufrüstung in Südkorea und Japan mehr Schwung verliehen. In beiden Ländern fordern einige Politiker sogar die Anschaffung von eigenen Atomwaffen, weil sie den Zusagen der USA nicht mehr ganz trauen. Die Lage in Ostasien wird damit vorerst immer brisanter. Gute Zeiten für Rüstungskonzerne, besonders die, die Raketenabwehrsysteme herstellen.

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