"Datensammler bedrohen unsere Wirtschaft" – Steuergeld für Facebook gefordert

Facebook, Google & Co sollten staatlich finanziert werden, anstatt unsere Daten zu verwerten. Das meint der kanadische Prof. Andrew Clement. Und wer weiterhin fremde Daten zu Geld macht, soll dafür zahlen.

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Glaspalast, davor ein großes Schild mit "Like"-Daumen

Facebook, Google & Co sind für Prof. Clement zu wichtig, um sich selbst überlassen zu bleiben.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Inhaltsverzeichnis

Google, Facebook & Co sind so wertvoll und wichtig, dass sie aus staatlichen Budgets finanziert werden müssen. Das meint der kanadische Informatikprofessor Andrew Clement, der die Überwachungsgesellschaft erforscht und unter anderem das Snowden-Archiv mit aufgeabut hat. "Mehrere prominente Firmen wie Google und Facebook müssen wir als Infrastruktur begreifen", sagte er im Gespräch mit heise online. "Uns [User] an Werbetreibende zu verkaufen, ist kein nachhaltiger Weg, essenzielle Infrastruktur zu betreiben."

Gleichzeitig sollten all jene, die fremde Daten zu Geld machen, dafür zur Kasse gebeten werden – auch wenn die Betroffenen zugestimmt haben. "Wenn Sie personenbezogene Daten speichern, auch wenn sie anonymisiert sind, ist das ein Privileg", erläuterte Clement. "Firmen, die Milliarden mit unseren Daten verdienen, sollten etwas davon zurückgeben. Der Gesellschaft steht eine Belohnung zu."

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Die Gebühr sollen aber nicht Einzelne für ihre Daten bezahlen, sondern in einen Fonds fließen, der Menschen dazu in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, ob sie ihre Daten freigeben und wofür sie verwendet werden. "Als Einzelne sind wir zu schwach und haben nicht genug Wissen, [um effektiv zu entscheiden]", begründet Clement, "Also brauchen wir stärkere Unterstützungsmechanismen, damit wir bessere Entscheidungen treffen können."

Clement vergleicht Google, Facebook & Co mit anderer Infrastruktur wie Telekommunikation, Eisenbahn, Wasserversorgung oder Straßen. "Viele Leute sind in ihrem täglichen Leben darauf angewiesen. Also können wir nicht Geiseln einiger Monopol-Organisationen sein, die machen können, was sie wollen, weil sie jeden Preis verlangen können, den wir zahlen [müssen]", so Clement. Starke Monopole seien eine Bedrohung für die Wirtschaft: "[Also] müssen sie so reguliert werden, dass sie dem Gemeinwohl dienen."

Und wie bei anderer wichtiger Infrastruktur auch sollen die Datendienste durch öffentliche Mittel unterstützt werden: "Dann müssen sie ihr Geld nicht mit Werbung verdienen, und müssen nicht laufend versuchen, ihren Inventarwert zu steigern." Damit erübrige sich auch die Datensammelei: "Google braucht nicht alle diese Informationen. Facebook braucht nicht alle diese Informationen, wenn alles, was sie wollen, der Betrieb eines Sozialen Netzwerks ist. Sie sammeln alle diese Daten, weil sie versuchen, uns an Werbetreibende zu verkaufen."

Andrew Cleement, Prof. em. an der Fakultät für Information der Universität von Toronto, ist Mirgründer des Identity Privacy & Security Institute.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Von den Zustimmungen der User zu Datenschutzbestimmungen hält Clement wenig. "Diese Bestimmungen sind dazu gemacht, den Firmen zu erlauben, Ihre Daten zu erfassen. Das ist Teil ihres Geschäftsmodells", sagte Clement im Gespräch auf der Konferenz Privacy & Security in Victoria, Britisch-Kolumbien, "Sie sind so geschrieben, dass sie nicht gelesen werden."

Manche Datenschutzbewegte versuchen, Datenschutzbestimmungen verständlicher zu machen, unter anderem durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Das überzeugt Clement nicht: "Das ist nicht adäquat für das Problem. […] Neue Zustimmungsmethoden werden [die Datensammlung] nicht einbremsen. Die [Datenkonzerne] werden uns weiterhin überwachen" – solange das Geschäftsmodell gleich bleibe.

Die größere Bedrohung sei allerdings die staatliche Überwachung: "[Edward] Snowden hat uns gezeigt, was abgeht. Und das ist aus meiner Sicht viel schlimmer [als die privatwirtschaftliche Überwachung]", betonte Clement, "Aber natürlich kommen viele Daten, die diese Geheimdienste bekommen, von privaten Organisationen wie Google und Facebook, aber auch von den [Netzbetreibern]."

"Es gibt mindestens zwei große Überwachungs-Risiken, und ich glaube, die staatliche [Überwachung] ist das größere", warnte der emeritierte Professor. Den Ausstieg aus der Überwachungsgesellschaft hält er für möglich, aber nicht einfach. Nur öffentlicher Druck könne den Ausstieg erzwingen: "Als ersten Schritt müssen die Leute erkennen [was passiert] und sich Sorgen machen. Außerdem müssen wir diese Organisationen zu Verantwortung ziehen und darauf bestehen, dass sie viel offener sind, nicht komplett geheim, damit wir eine Ahnung davon haben, was sie machen, ob sie es legal tun, und ob sie in unserem Interesse handeln. Derzeit haben wir das nicht."

Als Beitrag zur Information der Öffentlichkeit hat Clement den Online-Dienst-IXmaps ins Leben gerufen. Der Service sammelt Traceroutes, und zeigt, welche Bahnen der Datenverkehr im Internet zieht und wo die NSA die Daten abgreift. "Wir haben 18 [Netzknoten] in den USA identifiziert, wo die NSA sehr wahrscheinlich Abhöreinrichtungen hat. Wenn Sie von Kanada aus heise.de abrufen, wette ich, dass die Daten durch eine, wenn nicht mehrere, US-Städte gehen, wo die NSA ihre Einrichtungen hat."

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Selbst Inlands-Datenverkehr laufe oft über die USA und wieder zurück ins Inland. Dieses "Boomerang-Routing" sei in Kanada ein besonderes Problem. "Das passiert in Europa auch, aber nicht im selben Ausmaß wie in Kanada", berichtete Clement. IXmaps ist darauf angewiesen, dass freiwillige User Traceroutes aus ihrer Ecke des Internet beisteuern. Die passende Software gibt es für Windows, MaOS und Linux.

Im Grunde genommen ist Clement kein Gegner von Google & Co, kritisiert aber die Auswirkungen des Geschäftsmodells. "Sie sind bemerkenswert innovativ. Sie haben uns neue Wege der Datennutzung gezeigt, die enorm wertvoll sind. Ich verwende Google jeden Tag in vielfältiger Weise. Ich rede den Wert nicht klein", unterstrich der Wissenschaftler, "Ich sage, sie sind so wertvoll, dass […] sie nicht einfach private Firmen sein können. Sie sind so groß, wachsen so schnell, haben so viel Macht, dass wir sie wie Monopole behandeln müssen. […] Sie bedrohen unsere Wirtschaft und unsere Demokratie."

(ds)