Sprungrevision gegen Fahrverbotsurteil in Stuttgart

In Stuttgart wird es erst einmal keine Fahrverbote für ältere Diesel-Autos geben. Das Land geht gegen das umstrittene Fahrverbotsurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Die grün-schwarze Landesregierung einigte sich am Montag auf eine Sprungrevision

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(Bild: Twintec Baumot Group)

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  • dpa

In Stuttgart wird es erst einmal keine Fahrverbote für ältere Diesel-Autos geben. Das Land geht gegen das umstrittene Fahrverbotsurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Die grün-schwarze Landesregierung einigte sich am Montag (2. Oktober 2017) auf eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, wie die Regierungszentrale mitteilte. Damit wird das Stuttgarter Urteil nicht rechtskräftig. Fahrverbote drohten schon zum 1. Januar 2018.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart war der Meinung, das Land könne selbst blaue Umweltzonen einrichten, in die ältere Diesel nicht fahren dürften.Dem wollten sich nicht alle anschließen.

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Die Einigung erzielten dem Vernehmen nach Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU), nachdem der Koalitionsausschuss am Freitag (29. September 2017) im Streit auseinandergegangen war. Kretschmann begründete die Sprungrevision mit schwierigen Rechtsfragen und Rechtsunsicherheiten, die höchstrichterlich geklärt werden müssten. Parallel werde alles getan, um für sauberere Luft in Stuttgart zu sorgen. Strobl sagte: „Wir haben immer gesagt: Wir wollen saubere Luft und keine Fahrverbote.“

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte geurteilt, dass die vorgesehenen Maßnahmen für die Landeshauptstadt nicht reichten, um die seit Jahren vor allem mit Stickoxiden und Feinstaub verschmutzte Luft nachhaltig zu verbessern. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte im kommenden Jahr, vielleicht im Februar, fallen. Eine Berufung hätte länger gedauert.

Eigentlich wollten große Teile der Grünen einen Annahme des Urteils. Eine Bürgerinitiative unterstützte diese Haltung: Mehrere Dutzend Menschen demonstrierten vor Kretschmanns Amtssitz für eine Annahme des Stuttgarter Verwaltungsgerichtsurteils. Die CDU wollte hingegen eine Berufung, um das Urteil auch inhaltlich zu überprüfen. Die CDU-Politiker verbanden damit die Hoffnung, dass dann kürzlich geplante Maßnahmen berücksichtigt werden könnten. Dazu zählen Software-Updates für Diesel-Autos, die die Industrie angekündigt hat.

Kritiker halten die Software-Updates für nicht ausreichend, um die Luft wesentlich sauberer zu bekommen. Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte erklärt, dass es ohne Fahrverbote nicht geht. Sowohl die Grünen als auch CDU hatten mehrfach erklärt, notfalls auch eine Sprungrevision mittragen zu wollen. Dabei werden lediglich die rechtlichen Aspekte des Urteils noch einmal überprüft. Dazu gehört die Frage, ob das Land Fahrverbote in Eigenregie umsetzen kann, wenn der Bund nicht handelt, obwohl er zuständig wäre. Das Verwaltungsgericht Stuttgart war der Meinung, das Land könne selbst solche blauen Umweltzonen einrichten, in die ältere Diesel nicht fahren dürften. „Doch ob das rechtlich überhaupt möglich ist, darüber besteht in der Rechtsprechung große Ungewissheit“, meinte Kretschmann. „Wir halten das auch selbst für juristisch fragwürdig.“

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch bezeichnete die Sprungrevision als faulen Kompromiss. „Wer Fahrverbote wirklich verhindern will, muss mit einer Berufung an einer rechtlichen und inhaltlichen Prüfung des Urteils interessiert sein.“ FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht die Reputation von Vize-Regierungschef Thomas Strobl zerstört. Strobl, der auch CDU-Landeschef ist, war noch vor rund einer Woche in der CDU-Landtagsfraktion für eine Berufung eingetreten.

Die Fraktionschefs von Grünen und CDU, Andreas Schwarz und Wolfgang Reinhart, stellten sich nun hinter die Sprungrevision. „Ein langwieriges Berufungsverfahren, das weitere effektive Maßnahmen auf die lange Bank schiebt, wäre das falsche Signal gewesen“, meinte Schwarz. Reinhart: „Mit einer Sprungrevision ist unser Hauptziel einer Überprüfung des Urteils erreicht, auch wenn nach unserer Auffassung eine Berufung noch zielführender gewesen wäre.“ Verhandelt wird noch über ein umfassendes Paket für kurzfristige Maßnahmen zur Luftreinhaltung aus dem Haus von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die Details sollen die Verkehrsexperten der grün-schwarzen Regierungsfraktionen festzurren.

(mfz)