Was war. Was wird. Von Spionen, Stollen und entropischen Schwurbeln

So richtig geheim können die Geheimdienste eigentlich nichts mehr halten. Macht ja auch nichts, Konsequenzen haben die Enthüllungen eh nicht. Und hinter den Kulissen bleiben alle eine große Familie, weiß Hal Faber.

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Was war. Was wird. Von Spionen, Stollen und entropischen Schwurbeln

Wie viele Agenten hier wohl zu sehen sind?

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Lex Barker als BND-Agent Mr. Dynamit

*** Willkommen beim knall-harten Journalismus in der kleinen Wochenschau. Was wir wissen: der Niedersachs-O-Mat ist endlich gestartet. Was wir nicht wissen: wer hat sich diesen Namen ausgedacht? Was wir wissen: Das Oktoberfest ist vorbei und brachte es auf 6,2 Millionen Besucher. Was wir nicht wissen: wieviele Bundesnachrichtendienstler und ihre Kollegen sogenannter "befreundeter Dienste" das Oktoberfest besucht haben und dort das dienstlich erlaubte Kontingent von drei Maß Bier plus Hendl verschnabulierten. Denn das, bittschön, ist schwer geheim und würde zu einer "Verschlechterung der Sicherheitslage Deutschlands" führen und das internationale Ansehen des Bundesnachrichtendienstes gefährden. Riesengroß ist die Gefahr: "dass Unbefugte Rückschlüsse auf die Interessen der beteiligten ausländischen Nachrichtendienste ziehen können." Mitten im Unwissen sind wir vom Leben umgeben und können so nur spekulieren, was Spion & Spion so gesoffen haben. Geht eine Truppe BNDler mit Kollegen nur mit Kollegen von der CIA aus oder sind auch MI6ler dabei und bestellen sich gewärmtes Bier?

*** Immerhin wissen wir seit dieser Woche, dass gleich neben der Wiesn da in München der "größte sicherheitstechnische Cluster" entsteht, wie das BND-Chef Bruno Kahl bei einem gekonnten Show-Auftritt in Berlin formulierte. Denn neben der BND-Abteilung "technische Aufklärung", die in München-Pullach bleibt und nicht nach Berlin zieht, gibt es auch die Entschlüsselungsbehörde ZITIS, geleitet von einem ehemaligen BND-Spitzenbeamten, angesiedelt auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr, wo wiederum die Kräfte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) ausgebildet werden. Und dann ist da noch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, die Supertruppe, die bekanntlich den sächsischen Verfassungsschutz aufbaute und selbst einen V-Mann beschäftigte, der mit Staatsmitteln das Thule-Netz aufbaute, sich radikalisierte und den "Thüringer Heimatschutz" kannte. Sicher kann in diesem Clausterfuck noch eine Truppe des Bundesamtes angesiedelt werden, nämlich die Spezialisten "aus dem technischen Bereich", die die Forderung ihres Chefs nach umfassender Bespitzelung des Internets umsetzen: "Mich würde interessieren: Wer schaut sich gerade auf seinem Computer Enthauptungsvideos an, die auf einem Server in Malaysia liegen. Ich würde gern die IP-Adressen bekommen und mit unserer Gefährderdatenbank abgleichen." Server in Malaysia? Was ist mit all den Retardierten von 4Chan, die ihren Rekt-Müll sammeln. Bekommen wir da nicht mehr als schlappe 100.000 Hinweise, mit denen diese Anti-Terror-Algorithmen rumwursteln?

*** Interessant ist jedenfalls, dass nach dem Bundeswehr-Kommando Cyber- und Informationsraum auch der Verfassungsschutz offensive Fähigkeiten haben will. Verkleidet wird das von Hans-Georg Maaßen in die polizeiliche Formel von der Nacheile und nennt sich dann halt digitale Nacheile, bis nach Malaysia. Und weil bei Spion & Spion es gang und gäbe ist, einen Agenten umzudrehen, soll auch bei einem "Angriffsserver" es gestattet sein, ihn umzudrehen. Da fehlt eigentlich nur noch das Digitalkompromat und die digitale Glienicker Brücke für den Agentencodeaustausch.

*** Im sicherheitstechnischen MUC-Cluster von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschreibdienst wird es richtig brummen, da muss man sich einfach mit dem BND-Chef freuen, wenn er bei der Anhörung bildlich wird: "Wir arbeiten alle im selben Bergwerk, aber in unterschiedlichen Stollen." So sieht es aus, da unten in den Stollen. Wenn es dann in den Körben hochgeht mit den Erkenntnissen und den schmutzigen Ermittlern, dann tauscht man sich noch vor den Waschkauen aus, gerne auch mit ausländischen Kollegen. Während Maaßens Truppe IP-Adressen in Gefährderdatenbanken stopfen oder abgleichen – man kann nie genug haben – ist Kahl vollauf mit seinem eigenen Satelliten beschäftigt, der 2019 zusammen mit den SARah-Satelliten auf Falcon 9-Raketen von Space X in die Höhe geballert wird, wobei Raketen und alle mitgenommenen Satelliten vom BSI kryptografisch zertifiziert sein müssen. Das ist eine wahrlich spannende Aufgabe. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Auch der BND will richtig zuschlagen dürfen: [i]"Wenn die Aufklärung so weit abgeschlossen ist, dass feindliche Strukturen erkenn- und Ursachen identifizierbar waren, wäre es sinnvoll, die Angriffsquelle auch auszuschalten".[i] Oder ist gut und schlecht genau andersrum zu selektorifizieren?

*** Wir wissen: Die Russen haben mit Zapad 17 eine fette Militärübung gemacht. Dabei wurden in Kaliningrad Jammer eingesetzt, um die Kommunikation der vom Westen her angreifenden "Militanten" zu stören. Der Einsatz führte dazu, dass die Kommunikation im NATO-Mitgliedsland Litauen zusammenbrach, von Klaipeda bis Vilnius. Wir wissen nicht: War das nun schon ein Cyber-Angriff? Vielleicht sogar einer, der den berüchtigten NATO-Bündnisfall aulösen könnte? Bekanntlich soll Litauen ja den Vorposten stellen im "Cyber-Schengenraum", ein Vorhaben, das russische Medien gar nicht gut finden, ganz ohne digitale Nacheile.

*** Wir wissen: Das mit Snowden war nichts. Geht weiter, es gibt nichts zu sehen, teilt die Generalbundesanwaltschaft mit: Es hätten sich "keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass US-amerikanische oder britische Nachrichtendienste das deutsche Telekommunikations- und Internetaufkommen rechtswidrig systematisch und massenhaft überwachen." Wir wissen auch, was ein überspezifisches Dementi ist. Die dank Snowden bisher veröffentlichten Dokumente schlugen mitnichten wie eine Bombe ein, denn alles war bekannt. "Den Unterlagen ist zu entnehmen, über welche Techniken und Fähigkeiten die US-amerikanischen Dienste verfügen. Die darin geschilderten Aufklärungsmöglichkeiten waren den deutschen Spionageabwehrbehörden bereits zuvor als technisch machbar bekannt. Sie haben keine Belege dafür gefunden, dass diese Techniken zielgerichtet gegen Deutschland eingesetzt worden sind."Mehr noch: Wir wissen, das ein NSA-Mitarbeiter Malware mit nach Hause nahm und diese dort von Kaspersky Antivirus als verdächtige Software erkannt und gemeldet wurde. Besagter Mitarbeiter arbeitete für die Cybertruppe der Tailored Access Operations der NSA und wurde darum eingestellt, um neue Hackerwerkzeuge zu entwickeln, weil die alten nach den Veröffentlichungen von Edward Snowden kompromittiert waren, so jedenfalls die Washington Post. Somit wissen wir: Snowden wirkt. Spionage unter Freunden geht, man kann sogar gleichzeitig verschlüsselt telefonieren und das Handy anwanzen. Was Kaspersky anbelangt, so habe ich vor Kurzem Andrei Soldatov erwähnt und muss ihn noch einmal verlinken.

Was wird.

Nach den besagten Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft wurde nichts NSA-Verdächtiges am Internetknoten DE-CIX gefunden. Damit wir auch in Zukunft vor "rechtswidrig systematischen und massenhaften" Übergriffen geschützt sind, gibt es das Projekt X-Check. Seine ersten Ergebnisse werden im Rahmen der großen KRITiS-Jahreskonferenz vorgestellt. Mit dabei auch ein Redner von der erwähnten Firma Kaspersky. We are Family, tralala.

Schwarzes Loch, aus Marmor

Während bei uns gerade die algorithmisch beschwingte Theorie von der Filterblase geplatzt ist, werden anderswo die Algorithmen für die künstliche Intelligenz auf Hochglanz poliert. Sie sind ja so unschuldig. Es lohnt sich, frei von Firewalls, die anrührende Herzgeschichte über Googles Chef Sundar Pichai zu lesen und danach die Geschichte, wie die Omegas von Google mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz Prometheus die Weltherrschaft erobern werden und den Frieden auf Erden etablieren. Wenn so kranke Länder voller Gewehre und durchgeknallte Staatsschefs von der Bildfläche verschwinden und die Maschinen die Macht haben, das System freundlich zu gestalten, ist alles in bester Ordnung. Mensch und Maschine sind beide ein unausweichliches Resultat der Entropie. "Leben ist nicht das Ziel des Universums. Leben ist einfach das, was das Universum erschafft und reproduziert, um seine Energie zu verteilen." Dieser kleine Ausblick wurde Ihnen präsentiert von: heise online. (mho)