Strom handeln mit Blockchains

Trotz des Booms bei erneuerbaren Energien ist die Infrastruktur für Stromversorgung noch immer auf zentrale Versorgung ausgerichtet. Blockchain-Technologien sollen den Umgang mit ihnen deutlich effizienter machen.

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Von
  • Mike Orcutt
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Im Stromnetz lässt sich nicht mehr unterscheiden, ob Elektronen aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Quellen stammen oder in fossilen Kraftwerken produziert wurden. Um nachzuvollziehen, wie viel saubere Energie verbraucht wird, haben Regierungen in aller Welt deshalb Systeme auf der Grundlage von handelbaren Zertifikaten geschaffen.

Das Problem dabei: Die Art und Weise, wie diese Zertifikate gehandhabt werden, "nervt" und behindert Investitionen in erneuerbare Stromerzeugung, sagt Jesse Morris, ein Energieexperte am Rocky Mountain Institute. Ein neues System auf der Grundlage von Blockchain-Technologie könnte das nach seinen Worten ändern.

Die Nachverfolgung von Erneuerbaren-Zertifikaten ist eine von Dutzenden potenziellen Anwendungen für Blockchains. Im Strombereich könnten sie laut Morris Probleme beim Daten-Management lösen, ohne den laufenden Geschäftsbetrieb zu stören. Darüber hinaus glauben er und viele andere daran, dass die Technologie langfristig dazu beitragen könnte, die Architektur des Stromnetzes selbst zu transformieren.

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Eine Blockchain ein ein geteiltes, verschlüsseltes Register, das von einem Netzwerk aus Computern geführt wird. Diese Computer verifizieren die einzelnen Transaktionen – im Fall von Bitcoin den Transfer von Kryptowährung zwischen verschiedenen Nutzern. Jeder Nutzer hat Zugriff auf das Register, und es gibt keine zentrale Autorität dafür. Anhänger der Technologie sagen, sie könne besonders in Branchen von Nutzen sein, in denen Netze mit vielen Teilnehmern – wie eben die Stromproduzenten und -abnehmer – mit geteilten Datensammlungen arbeiten müssen.

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Wenn ein Erneuerbaren-Kraftwerk heute eine Einheit Strom erzeugt, gibt ein Zähler Daten aus, die in einer Tabelle protokolliert werden. Die Tabelle wird dann an einen Dienstleister geschickt, der die Daten in ein neues System eingibt und ein Zertifikat ausstellt. Zwischen den Käufern und Verkäufern dieser Zertifikate steht eine weitere Gruppe von Intermediären, und noch eine weitere Partei verifiziert nach dem Kauf die Zertifikate. Wie wäre es, wenn der Zähler stattdessen direkt in die Blockchain schreiben würde? Die meisten Probleme wären auf einen Schlag gelöst, sagt Morris.

Und das wäre nur der Anfang. Viele Energieexperten sind überzeugt, dass Blockchain-Technologie das Potenzial hat, eine grundlegende Transformation moderner Stromnetze einzuleiten.

Zu großen Teilen basiert der Stromsektor noch immer auf großen, zentralisierten Kraftwerken, die Strom erzeugen und über große Entfernungen mit Übertragungs- und Verteilnetzen zu den Abnehmern leiten. In jüngerer Vergangenheit sind jedoch zunehmend kleinere „verteilte“ Stromerzeuger und Speichersysteme wie Dach-Solaranlagen und Batterien von Elektroautos hinzugekommen.

Die Eigentümer dieser Systeme tun sich schwer, ihren Wert zu maximieren, weil das bisherige System so ineffizient ist, sagt Jemma Green, Mitgründer und Chairman von Power Ledger; das australische Start-up entwickelt eine Blockchain-Plattform, über die Produzenten Strom direkt an Verbraucher verkaufen können. Normalerweise dauert es 60 bis 80 Tage, bis ein Stromproduzent sein Geld bekommt. Mit einem System auf Blockchain-Basis, so Green, könnte das Geld sofort fließen. Also braucht man weniger Kapital, um ein Geschäft als Stromerzeuger zu beginnen und zu betreiben.

In einem solchen System könnten Nachbarn problemlos untereinander Energie handeln – was weitaus effizienter ist als der Umweg über das allgemeine Stromnetz. Power Ledger hat zum Beispiel ein Produkt demonstriert, mit dem sich aus einem Mehrfamilienhaus ein Mikrogrid mit gemeinsamen Solarmodulen und Batteriespeicher machen lässt. LO3 Energy, ein anderes Unternehmen, hat in Brooklyn bereits ein Nachbarschafts-Mikrogrid eingerichtet.

Um das Potenzial der Blockchain im Stromsektor freizusetzen, hat das Team von Morris zusammen mit dem österreichischen Blockchain-Startup Grid Singularity eine nicht gewinnorientierte Organisation namens Energy Web Foundation (EWF) gegründet. Anfang Oktober brachte die Stiftung ihre eigene Blockchain heraus, die laut Morris "speziell auf den Energiesektor abgestimmt" ist. Mit Ethereum als Grundlage soll das Netz zu einer Testumgebung für viel versprechende Anwendungen werden. Während der Tests werden Transaktionen von zehn großen Energieunternehmen validiert, die als Partner unterschrieben haben.

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