Anti-SUV

Test: VW Caddy Trendline 1.0 TSI BMT

Unter jungen Familien und Sportbegeisterten, die keinen SUV wollen, hat der Caddy eine Fangemeinde. Wir haben uns den Nutz-Golf einmal näher angesehen. Kann man damit auch ohne Askese leben? Taugt Dreizylinderbenziner als TDI-Alternative?

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VW Caddy Trendline 1.0 TSI BMT 27 Bilder
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Selten gab es ein Auto, das unsere Redaktion so gespalten hat, wie der Kleinlieferwagen von VW. Dabei würde man dem weißen Caddy 1.0 TSI Trendline alles zutrauen, nicht aber die Entfachung von echter Leidenschaft. Es handelt sich dabei schließlich um ein Nutzfahrzeug. Volkswagen bietet ihn lediglich in einer domestizierten Version für Familien und Sportler an. Der Caddy scheint so etwas wie ein Gegenentwurf zu den immer schneller, größer und luxuriöser werdenden SUV. Er wendet sich an eine besondere Kaste, die den nüchternen Nutzgedanken im Auto bewusst vor sich her trägt.

Dreizylinder als TDI-Alternative

Bisher wurde der Caddy geradezu ausschließlich mit TDI-Motoren mit 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum verkauft. Jetzt hat Volkswagen selbst ganze Arbeit dabei geleistet, die Diesel-Technologie, die dafür überhaupt nichts kann, obsolet zu machen. Als Alternative liegt der 102 PS starke Dreizylinder-Turbobenziner nahe – zumindest von der Papierform her.

Schmucklos ergonomisch

Wer einfach nur ein Auto haben will, das sich im Alltag zurückhaltend und dienstfertig benimmt und für Shuttle- und Transportaufgaben bestens gerüstet ist, wird sich im Caddy sofort zu Hause fühlen. Da gibt es keine Eingewöhnungszeit, keine übergriffigen Funktionen, kein Menüsurfen. Man steigt ein und fährt los, als ob man nie einen anderen Wagen gefahren hätte. Wer ein Smartphone auf Rädern erwartet, muss von sowas natürlich angewidert werden. Das ist logisch und setzt sich konsequent fort.

Die Innenausstattung besteht größtenteils aus gut verarbeitetem Nutzplastik. Ein paar wenige Zierteile gibt es hier zwar auch. Die dezente Chromoptik, die sich links und rechts von den Türtafeln bis an den Rand der Mittelkonsole erstreckt, wirkt aber im Vergleich zu einem Passat Highline wie eine abgespeckte Bio-Fassung. Mich stört das nicht, im Gegenteil. Die Chi-chi-Transporter mit Touran-Syndrom sind so überschminkt, dass sie jede Würde verlieren. Sie erinnern an eine 70-jährige Promiputzfrau mit Botox-Sonnenbank-Komplettabo. Der Caddy hingegen weiß einfach, wo er hingehört. Er ist stimmig bis ins letzte Detail und will nichts sein, was er nicht ist.

Fahrspaß trotz Starrachse

Dass der Caddy ein domestiziertes Nutzfahrzeug ist, zeigt sich an seinem Fahrwerk. Es wartet mit einem Detail auf, das sich kein europäischer Automobilhersteller mehr traut, in einem modernen Personenwagen anzubieten: eine hintere Starrachse mit Blattfedern. Tatsächlich wird der Caddy für sein Fahrwerk, genauer gesagt für seinen eingeschränkten Federungskomfort, in den meisten Tests und Fahrberichten kritisiert. Und ja, Fahrwerksgourmets mit geeichtem Popometer werden hin und wieder an kurz-abrupten Wellen ein charakteristisch-tätschelndes Stuckern von der Hinterhand wahrnehmen. Aber man muss tatsächlich darauf achten.

Für mich war hingegen überraschend, wie gut die VW-Nutzingenieure dieses vorsintflutlich anmutende Fahrwerk hinbekommen haben. Das gilt auch für die Straßenlage. Es macht wirklich Spaß, den Caddy schnell in Kurven zu werfen. Man fühlt sich unerwartet zu flotter Fahrweise animiert. Und die leichte Hemdsärmligkeit bei niedriger Beladung an ungünstigen Kanten passt geradezu kongenial zur stimmigen Nüchternheit im Ambiente.

Auch der Einliterdreizylinder mit 102 PS fügt sich nahtlos in die Sinfonie der Schmucklosigkeit. Er macht genau das, was er soll. Der Caddy beschleunigt linear, ohne einen mit übermäßigem Antritt zu erschrecken. Er bleibt akustisch stets im Hintergrund. Seine leicht kernige Tonfärbung macht ihn sympathisch, wie den Mann aus einfachen Verhältnissen, der selbstbewusst zum Geruch der Straße steht. Ein Kollege notierte, der Dreizylinder fühle sich hier im Vergleich zu anderen Konzernmodellen seltsam zäh an. Ja klar, sportlich ist schon etwas anderes, aber für einen Schnelllaster passt das genau, finde ich. 172 km/h Höchstgeschwindigkeit und 12,1 Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h können sich im Alltag richtig vergnüglich anfühlen.