EU-Grundrechtsagentur fordert bessere Geheimdienstkontrolle

Nach den Snowden-Enthüllungen haben einige EU-Staaten die Gesetze für ihre Geheimdienste reformiert. Der Rechtsrahmen bleibe trotzdem oft vage, solide Schutzmaßnahmen und eine wirksame Aufsicht fehlten, kritisiert die Grundrechtsagentur.

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BND, Bad Aibling
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Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mahnt umfangreichere Nachbesserungen an, um die Geheimdienste der Mitgliedsstaaten einzuhegen. Im Lichte der Snowden-Enthüllungen hätten zwar über die Hälfte der EU-Länder Gesetze in den vergangenen drei Jahren überarbeitet, schreibt die Institution in einem am Montag veröffentlichten Bericht. Dazu gehörten etwa Deutschland mit der heftig umstrittenen Reform der Auslandsüberwachung, Frankreich, Großbritannien, Polen, Portugal oder Schweden. Die Kompetenzen der Spionagebehörden seien damit in der Regel etwas klarer geregelt worden. Vielfach sei der Rechtsrahmen aber zu komplex und zu schwammig geblieben.

Die damit einhergehenden Unklarheiten führten "zu Unsicherheit über die Macht und Mandate von Nachrichtendiensten", monieren die Grundrechtsprüfer. Es seien daher "stärkere Schutzmaßnahmen" nötig, um den Datenschutz und die Privatsphäre der Betroffenen zu garantieren. Für Opfer von Rechtsverletzungen bleibe es oft schwierig, wirksame Rechtsmittel dagegen zu ergreifen, weil die Zuständigkeiten komplex seien und die Überwachungsaktivitäten geheim gehalten würden. Zudem hätten viele außergerichtliche Hilfseinrichtungen zu wenig Erfahrung mit solchen Fällen. Sie seien auch oft nicht unabhängig und hätten keine Befugnisse, Untersuchungen durchzuführen, auf Unterlagen zuzugreifen oder verbindliche Beschlüsse zu fassen. Zumindest spezialisierte Richter müssten Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten.

Die Justiz, Expertengremien, parlamentarische Ausschüsse und Datenschutzbehörden sind laut dem über 160-Seiten langen Bericht entscheidend, um die Tätigkeiten von Geheimdiensten angemessen überwachen zu können. Die Arbeit dieser Kontrollstellen werde aber ebenfalls durch ungenügende Zugriffsrechte auf Informationen sowie durch eingeschränkte Zuständigkeiten, Entscheidungsbefugnisse, technische Kenntnisse, Ressourcen und Regierungsabhängigkeiten behindert. Hier bestehe weiterer dringender Reformbedarf auch in Bezug auf die internationale Kooperation von Geheimdiensten.

Die EU-Institution drängt auch auf eine umfassende Zusammenarbeit und Befugnisgleichheit verschiedener Aufsichtsgremien, damit sämtliche Schritte der Überwachung kontinuierlich erfasst werden. Die Mitgliedsstaaten sollten zudem einen effizienten Schutz von Whistleblowern in den Sicherheitsbehörden gewährleisten und Regeln für den internationalen Datenaustausch festlegen, die regelmäßig überprüft werden müssten.

Für die Analyse, die eine erste Rechtseinschätzung von 2015 fortführt, hat die Agentur erstmals auch 70 Experten in sieben EU-Ländern wie Belgien, Deutschland, Frankreich oder Italien befragt. Diese betonten etwa, wie schwer verständlich Überwachungsgesetze etwa aufgrund ständiger Verweise auf andere Normen oder vager Begrifflichkeiten seien. Während die Geheimdienste in "Big Data" schwämmen, seien die Kontrolleure noch mit "Pferdekutschen" unterwegs. Der Direktor der Grundrechteagentur, Michael O’Flaherty, betonte, dass der Schutz der Grundrechte der nationalen Sicherheit nicht abträglich sei.

Parallel hat die Stiftung Neue Verantwortung ein "Impulspapier" für die laufenden Verhandlungen der Partner einer möglichen Jamaika-Koalition herausgegeben, in dem sie dazu rät die Geheimdienstkontrolle hierzulande zu "professionalisieren". Vor allem das G10-Gesetz, das Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlaubt, und die darüber wachende G10-Kommission müssten reformiert werden. Ferner gelte es, verbliebene Gesetzeslücken zu füllen und dabei auch den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes "zur Unzulässigkeit einer anlasslosen Verkehrsdatenspeicherung" Rechnung zu tragen. (axk)