Forschungsausgaben: Volkswagen verliert Spitzenplatz an Amazon

Amazon, Apple, Google – die Internet-Riesen sind schon lange für viele das Maß aller Dinge. Doch jahrelang hat sich niemand Forschung und Entwicklung so viel kosten lassen wie Volkswagen – bis jetzt.

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VW Sedric

Sedric, Volkswagens Studie für ein autonomes Taxi.

(Bild: dpa, Thomas Geiger)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Thomas Strünkelnberg
  • dpa
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Nach fünf Jahren an der weltweiten Spitze bei den Forschungsausgaben muss Volkswagen vor allem amerikanische Hightech-Riesen an sich vorbeiziehen lassen. Mit Amazon belegte erstmals ein Internet-Gigant den international ersten Platz bei den größten Budgets für Forschung und Entwicklung (F&E). Das ergab eine Studie von Strategy&, der Strategieberatung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzerns PwC. Demnach steckte Amazon im Untersuchungszeitraum, dem Fiskaljahr bis Ende Juni 2017, rund 16,1 Milliarden Dollar in seine Forschung.

Volkswagen erreicht mit rund 12,2 Milliarden Dollar den fünften Platz. Im Zeitraum davor waren es noch rund 13,2 Milliarden Dollar – der Unterschied ist allerdings weniger groß als er zu sein scheint, wie PwC-Sprecherin Annabelle Kliesing erklärte. Denn Hintergrund der Veränderungen sei vor allem der Wechselkurs, in heimischer Währung kam Volkswagen 2016 auf knapp 11,9 Milliarden Euro, während es 2017 rund 11,5 Milliarden Euro sind. Demnach hält Volkswagen auch inmitten des Abgasskandals bei seinen Forschungsausgaben ein hohes Niveau.

Der Studie zufolge zogen dennoch auch die Google-Mutter Alphabet, Intel und Samsung an VW vorbei. "Ein Blick auf die diesjährige Top drei genügt, um die Vorherrschaft der US-amerikanischen Digitalriesen bei Innovationsthemen zu verdeutlichen", sagte der Chef von Strategy& in Europa, Peter Gassmann. Neben VW habe es mit Daimler (6,9 Milliarden Dollar) auf Platz 16 nur ein weiteres deutsches Unternehmen in die internationale Top 20 geschafft. "Deutsche Digitalunternehmen sucht man vergeblich", betonte Gassmann. Angesichts der massiven US-Investitionen müsse Deutschland in dem Sektor "dringend aufholen".

Der Zweitplatzierte Alphabet investierte 13,9 Milliarden Dollar, Intel und Samsung kamen je auf 12,7 Milliarden Dollar. Gemessen am Umsatz gaben die Internet- und Software-Riesen deutlich mehr für Forschung und Entwicklung aus – Amazon kam bei der sogenannten F&E-Quote auf 11,8 Prozent, Intel auf 21,5 Prozent, der Pharmakonzern Merck auf Platz 8 gar auf 25,4 Prozent.

Allerdings erlöste VW mit rund 217 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr auch sehr viel Geld. Im Verhältnis zum Umsatz ist die F&E-Quote von 5,3 (2016: 5,6) in der Autobranche immer noch ein guter Wert. Höher lagen beispielsweise die Autozulieferer Denso aus Japan mit 9,0 Prozent oder Continental mit 7,1 Prozent. In absoluten Zahlen bleibt Volkswagen in der Autobranche aber unangefochten an der Spitze. Toyota als Zweitplatzierter kam auf 9,3 Milliarden Euro.

Jedoch: Die Höhe der Forschungsausgaben gibt nur bedingt Auskunft über den Erfolg dieser Investitionen. Gerade mit Blick auf die E-Mobilität muss sich der Erfolg erst noch zeigen. VW-Konzernchef Müller hatte zum Auftakt der diesjährigen IAA angekündigt, dass Volkswagen seine Investitionen in Elektromobilität bis 2030 auf 20 Milliarden Euro hochfahren will.

In Summe sind die Vereinigten Staaten bei den Forschungsausgaben das Maß der Dinge: 13 der 20 Unternehmen mit den höchsten Ausgaben haben ihren Sitz in den USA. Aus Europa schafften es vier Unternehmen in die Spitzengruppe, aus Asien drei. Allerdings stellen Isolationismus und zunehmender Nationalismus der Studie zufolge Risiken für die USA, China und Großbritannien dar. Profitieren dürften demnach Kanada, Deutschland und Frankreich.

Auf der Liste der 1000 forschungsintensivsten Firmen stellen die USA mit 368 (2016: 381) Unternehmen gut ein Drittel. Gleichzeitig stieg die Zahl der europäischen Konzerne um 5,4 Prozent auf 235. Aber: "Ohne visionäre Ideen und eine strategische Umsetzung von Forschungsprojekten werden auch Unternehmen mit großen Budgets auf der Strecke bleiben", warnte Gassmann. Im Vergleich der deutschen Top 5 gab es keine Bewegung. Auf Volkswagen und Daimler folgt auf Rang drei Siemens (5,5 Milliarden Dollar). Bayer (4,9 Milliarden Dollar) und BMW (4,5 Milliarden Dollar) belegen die Plätze vier und fünf.

Mit einem Gesamtwert von knapp 702 Milliarden Dollar erreichen die veranschlagten F&E-Ausgaben aller betrachteten 1000 Firmen der Studie zufolge einen neuen Höchststand. Vor einem Jahr waren es noch 680 Milliarden Dollar, was damals ebenfalls einen Rekord bedeutete. Auch der Anteil der F&E-Ausgaben an den globalen Umsätzen erreichte mit 4,5 Prozent einen neuen Spitzenwert. (axk)