Smart Borders: EU-Parlament beschließt biometrische Grenzkontrolle

Zur Einreise in den Schengen-Raum müssen sich Angehörige von Drittstaaten künftig nach US-Vorbild mit Fingerabdrücken und Gesichtsbild registrieren lassen. Juristen warnen, dass das System gegen die EU-Grundrechte verstößt.

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Smart Borders: EU-Parlament beschließt biometrische Grenzkontrolle

(Bild: Secunet)

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Mit der Mehrheit von 477 Stimmen vor allem der Konservativen und Teilen der Sozialdemokraten hat das EU-Parlament am Mittwoch ein Gesetzespaket verabschiedet, mit dem ein biometrisches Ein- und Ausreisesystem nach US-Vorbild eingerichtet werden soll. Rund 140 Abgeordnete waren dagegen. Angehörige von Drittstaaten müssen sich demnach künftig zur Einreise in die 26 Mitgliedstaaten des Schengen-Raums sowie an den Grenzen Bulgariens und Rumäniens mit vier Fingerabdrücken und Gesichtsbild registrieren lassen. Zusätzlich sollen Identitätsangaben sowie weitere Daten aus Reisedokumenten in dem System aufbewahrt werden.

Die Speicherfrist wird in der Regel drei Jahre betragen. Dehnt ein Ausländer seinen Besuch in der EU unerlaubt aus, können seine Einträge vier Jahre lang gespeichert werden. Die Datenbank soll die zulässige Dauer eines Kurzaufenthalts automatisch berechnen und einen Warnhinweis an die nationalen Sicherheitsbehörden abgeben, wenn der Betreffende bis zum Ablauf der zulässigen Aufenthaltsdauer, die meist 90 Tage innerhalb von einem Halbjahr beträgt, nicht ausgereist ist. Das bisherige Stempelverfahren wird eingemottet.

Das System mit geschätzten Kosten von rund eine Milliarde Euro soll demnach mit dem bereits bestehenden Visa-Informationssystem (VIS) direkt zusammenspielen, Doppeleinträge für Einreisende mit einer längeren Aufenthaltsgenehmigung vermieden werden. Parallel will die Kommission weitere Informationssysteme im Bereich der inneren Sicherheit zu einer virtuellen "Biometrie-Superdatenbank" mit übergreifenden Suchmöglichkeiten zusammenführen.

Neben Migrationsämtern und Grenzschützern sollen auch allgemeine Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol unter festgelegten Bedingungen auf das System zugreifen dürfen, und zwar zum Kampf gegen Terrorismus und "andere schwere Verbrechen". Die EU-Kommission beabsichtigt mit der erweiterten Grenzüberwachung, die zunehmenden Reise- und Migrationsströme besser zu bewältigen und die Strafverfolgung effizienter zu machen. Nach Startschwierigkeiten nahm die Kommission voriges Jahr einen zweiten, abgespeckten Anlauf.

Laut einem aktuellen Rechtsgutachten, das die Europafraktion der Grünen beim Luxemburger Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht Mark D. Cole in Auftrag gegeben hat, verstößt das System aber gegen die EU-Grundrechte. Die Verfasser haben erhebliche Zweifel, ob das Vorhaben mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vereinbar ist. Dem System steht laut dem Innenexperten der Grünen, Jan Philipp Albrecht, so "das gleiche Schicksal bevor wie dem Fluggastdaten-Abkommen mit Kanada und der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die der Gerichtshof mit klaren Worten als grundrechtswidrig verworfen hat". Der Parlamentsberichterstatter Agustín Díaz de Mera von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) bezeichnete das neue Instrument dagegen als "sehr wichtigen Schritt nach vorn für mehr Sicherheit in Europa". (anw)