Experten kritisieren diffuse Planung des Abhörzentrums Ost

Mehr Transparenz und Umsetzungsdetails in Sachen Abhörzentrum-Ost forderten Experten von den Innenministerien in einer Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtags am Donnerstag ein.

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Experten kritisieren diffuse Planung des Abhörzentrums Ost
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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Die Polizei in mehreren Bundesländern will in Sachen Abhören stärker kooperieren, um Personal- und Ausstattungskosten einzusparen. Schon in zwei Jahren soll das gemeinsame Abhörzentrum für die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Dresden in Betrieb gehen. In Sachsen wird nun im Landtag der Gesetzesentwurf zur Errichtung des Abhörzentrums Ost diskutiert, das auch unter dem Namen "Gemeinsames Kompetenz- und Dienstleistungszentrum" (GKDZ) bekannt ist.

Hartmut Aden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin wies nun in einer Anhörung darauf hin, dass die erwarteten Synergien und Einsparungen "nicht evident" seien, da "Einsparungen bei den Investitionskosten über die gesamte Nutzungsdauer mit den Zusatzkosten durch erhöhten Koordinationsaufwand in demselben Zeitraum zu vergleichen" seien. Er bezweifelt es daher, dass die bereits erstellte Wirtschaftlichkeitsberechnung mit einem Betrachtungszeitraum von nur fünf Jahren dies reflektieren könne. Diese geht von einer Einsparung von 10,7 Millionen Euro aus. Er fordert daher diese bislang als "vertraulich" eingestufte Berechnung einer öffentlichen Nachprüfung zugänglich zu machen.

Auch fordert Aden das als geheim eingestufte Rechtsgutachten, das im Auftrag der beteiligten Länder erstellt wurde, zu veröffentlichen, da dies ansonsten "Anlass zu Spekulationen darüber" gebe, "ob eventuell Mängel des Konzepts gegenüber der Öffentlichkeit verborgen" werden sollten. Die Ansiedelung des Abhörzentrums in Sachsen sei nur dann vertretbar, wenn parallel ein Informationszugangsrecht geschaffen werde, damit die Arbeit des GKDZ demokratisch kontrollierbar ist. Er vermisst außerdem eine Regelung zu der Frage, "wer für Fehler und Pannen haftet, etwa wenn Daten in einer rechtswidrigen Weise verarbeitet werden". Bei Cyberangriffen dürften sich die Regelungen als "unzulänglich" erweisen.

Zu den weiteren Knackpunkten gehört die Frage, ob es eine rechtsstaatliche effektive Kontrolle der Gemeinschaftseinrichtungen geben wird. Hier konnten sich die Datenschutzbeauftragten offenbar durchsetzen. Der thüringische Landesdatenschutzbeauftragte Lutz Hasse zeigte sich auf der Anhörung am gestrigen Donnerstag im Innenausschuss des Sächsischen Landtags mit dem Entwurf deshalb zufrieden: "Vom Datenschutzrecht her ist der Entwurf in Ordnung, die Kontrollbefugnisse sind verankert – nun kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an."

Die in der Anhörung anwesenden Vertreterinnen der Innenministerien deuteten an, dass die Feinplanung im "nächsten Jahr" vorgelegt werden solle. Hasse besteht darauf, dass die Feinplanung gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten erstellt werden sollte und wies vorsorglich darauf hin, dass die Datenschutzbeauftragten mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung rechtswidrige Datenverarbeitungen per Anordnung unterbinden können. Auch die Abgeordneten bestehen auf eigenen Kontrollrechten. So gibt es in Thüringen einen Entschließungsantrag des Parlaments.

Die Daten sollen in dem Abhörzentrum für jedes Bundesland separat erhoben, verarbeitet und gespeichert werden. Im Gesetzentwurf ist nur von einer "strikten und zuverlässigen Mandantentrennung" die Rede. Die Speicherbereiche müssten überdies die Daten, die zu präventiven Zwecken erhoben wurden, von den Daten trennen, die für repressive Zwecke erhoben wurden. Organisatorisch-technisch sei sicherzustellen, dass Nichtberechtigte die Daten nicht zur Kenntnis nehmen können. Die Vorkehrungen müssen "auf Grundlage einer Risikoanalyse und eines Sicherheitskonzepts" ermittelt werden, wozu eine Datenschutz-Folgenabschätzung gehört. Ob diese Maßnahmen wirksam sind, muss vor der Inbetriebnahme sowie später in regelmäßigen Abständen nachgewiesen werden. Damit erfüllen diese Vorgaben anders als die für das Abhörzentrum-Nord bereits die umfangreicheren Anforderungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

Der Jurist Nils Gruske wies die Abgeordneten im Innenausschuss darauf hin, dass aus dem Gesetzentwurf nicht klar genug hervorgehe, welche Daten konkret aus welchen Maßnahmen an das GKDZ übermittelt werden: "Es gibt nur einen pauschalen Hinweis auf die Telekommunikationsüberwachung, aber Online-Durchsuchungen werden nicht genannt." Gruske wies über dies auf einen Widerspruch hin: Laut Gesetzentwurf soll das GKDZ nur Daten entgegennehmen. Den mündlich vorgetragenen Vorstellungen der beteiligten Innenministerien sei jedoch zu entnehmen, dass es auch im Auftrag der Ermittlungsbehörden Daten anfordern dürfe. Dies sei aber im Gesetzesentwurf nicht ausdrücklich vorgesehen. Dieser Widerspruch müsse aufgelöst werden, um Rechtssicherheit zu erhalten. (mho)