"Paradise Papers": Neue weltweite Steuer-Enthüllungen – Apple, Facebook und Twitter auf der Liste

Wieder machen Enthüllungen zu Steuerschlupflöchern Schlagzeilen. Die "Paradise Papers" zeigen wie große Firmen Steuern zu vermeiden suchen oder woher sie Geld bekommen. Apple sucht etwa nach einem Ort, an dem "offiziell garantiert keine Steuern anfallen".

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"Paradise Papers": Neue weltweite Steuer-Enthüllungen – Apple, Facebook und Twitter auf der Liste

 Die Anwaltskanzlei Appleby ist auf den Bermudas ansässig. Daten sollen durch einen "Cyber-Angriff" abhanden gekommen sein.

(Bild: kansasphoto, CC BY 2.0)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Nach den "Panama Papers" gibt es eine neue Veröffentlichung zu millionenfachen Daten über Steuerschlupflöcher und womöglich brisante Geschäftskontakte. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung geht es um Dokumente zu Briefkastenfirmen von einer Anwaltskanzlei auf den Bermudas und einer Firma in Singapur.

Das neue riesige Datenleck wurde von den Autoren "Paradise Papers" getauft. Zu den Firmen, die Geldflüsse über die Steueroasen abwickelten oder nach für sie günstigeren Geschäftsgrundlagen suchen, gehören unter anderem Apple, Facebook und Twitter.

Insgesamt waren im Rahmen des Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ) mehr als 90 Medien und 380 Journalisten beteiligt, in Deutschland neben der Süddeutschen Zeitung auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) sowie der Westdeutsche Rundfunk (WDR), zudem unter anderem die "New York Times", die BBC, der "Guardian" und "Le Monde". Die Daten wurden über ein Jahr ausgewertet und bieten tiefe Einblicke, wie versucht wird, mit den Steuer- und Finanzkonstrukten den eigenen Reichtum zu mehren.

Apple soll etwa "laut bislang geheimen E-Mails" versuchen, "einen Geschäftssitz in einem Land zu finden, an dem offiziell garantiert keine Steuern anfallen". Seit Monaten streitet sich der Konzern mit der EU-Kommission über einen Steuerdeal mit Irland. Apple soll 13 Milliarden Euro nachzahlen. Apple-CEO Tim Cook erklärte noch im Oktober in einem Interview mit der FAZ, dass Apple der größte Steuerzahler der Welt sei. "Wir sagen nicht: Steuern senken!" Fragen der Verteilung und der weltweiten Unternehmensbesteuerung will Cook jedoch überdenken lassen.

Das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern ist nicht per se kriminell – es gibt aber weltweit Kritik an Steuervermeidungsstrategien. Dadurch entfallen Milliarden-Zahlungen, die sonst dem Gemeinwohl zugute kommen würden – zudem wird die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft.

Facebook und Twitter strichen hingegen laut der Unterlagen russisches Geld ein, das ursprünglich vom Kreml kommen soll. Der russische Star-Investor Juri Milner wurde bei seinem Einstieg in die Social-Media-Unternehmen Twitter und Facebook vor einigen Jahren offenbar mit Hunderten Millionen Dollar aus dem Kreml ausgestattet. "Der Ankauf der Aktien des Kurznachrichtendienstes Twitter wurde demnach von der russischen Staatsbank VTB mitfinanziert, das Investment bei Facebook von der Gazprom Investholding", heißt es bei der Süddeutschen Zeitung. VTB und Gazprom hätten mittlerweile erklärt, dass die Investitionen in Twitter und Facebook nicht politisch motiviert gewesen seien. Milner habe die Anteile schon vor den US-Wahlen verkauft.

Durch die neuesten Erkenntnisse zur mutmaßlichen Wahlmanipulation in den USA – russische Trollabriken sollen über soziale Medien auch mit gekaufter Werbung gezielt agitiert haben – erhalten solche Deals trotzdem ein weiteres Geschmäckle.

Wie die ICIJ-Journalisten an die Daten, die auch Firmenregister von 19 Steueroasen enthalten, herankamen, wurde nicht preisgegeben. Die Süddeutsche Zeitung verweist deutlich auf ihren Quellenschutz. Insgesamt gehe es um 13,4 Millionen Dokumente aus Steuerparadiesen weltweit, es würden die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern auftauchen, dazu Unternehmer und Sportler.

Die auf den Bermudas ansässige Anwaltskanzlei Appleby hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass möglicherweise illegal Datenmaterial dem ICIJ zugespielt worden sei; man habe entsprechende Medienanfragen bekommen. Die Firma betont, auf legale Offshore-Praktiken zu setzen und im Einklang mit den Gesetzen zu handeln. Man nehme alle Vorwürfe aber "extrem ernst". Nach sorgsamer und intensiver Prüfung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Appleby sprach nicht von einem Datenleck, sondern von einem illegalen "Cyber-Angriff".

Besonders in den Fokus wird von der Süddeutschen Zeitung und den anderen beteiligten Medien zum Beispiel US-Handelsminister Wilbur Ross gerückt. Er profitiere als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kreml-nahen Geschäftsleuten gehöre.

Im Fall des US-Handelsministers soll es um eine Beteiligung an einer Reederei gehen, zu deren Großkunden der russische Energiekonzern Sibur gehöre. Die Reederei Navigator habe seit 2014 mit Sibur Geschäfte im Wert von mehr als 68 Millionen Dollar abgewickelt. Allerdings bleibe unklar, wie stark Ross hier engagiert sei. Es ist bereits bekannt, dass der Milliardär große Investments im Schifffahrtsbereich hat und Offshore-Firmen waren auch bereits ein Thema bei seinem Bestätigungsverfahren im Senat. Ross bestreitet nach Angaben der Zeitung, dass seine Geldanlage Einfluss auf seine Amtsführung habe.

In den Daten sollen insgesamt ein Dutzend Berater und Großspender von US-Präsident Donald Trump auftauchen. Auch Vermögenswerte der britischen Queen Elizabeth II. sollen den Berichten zufolge eine Rolle spielen – Geld soll in einer Kaufhauskette angelegt worden sein, die bei Ratenzahlungen Wucherzinsen verlangt habe. Zudem taucht eine Verbindung zum argentinischen Finanzminister Luis Caputo auf.

Die vorherigen "Panama Papers"-Enthüllungen führten 2016 weltweit zu Ermittlungen. Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die von ICIJ-Journalisten weltweit ausgewertet wurden, zeigten, dass zahlreiche Politiker, Sportler und andere Prominente Vermögen in Offshore-Firmen hielten – was nicht unbedingt strafbar ist. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214 000.Gesellschaften vor allem in der Karibik.

Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern und engen Vertrauten auf, darunter die Staatschefs Argentiniens und der Ukraine, Mauricio Macri und Petro Poroschenko. In Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson und zum Verzicht des Staatschefs Ólafur Ragnar Grímsson auf eine Wiederwahl. In Pakistan wurde Ministerpräsident Nawaz Sharif des Amtes enthoben.

Das ICIJ erhielt für die Enthüllungen der "Panama Papers" 2017 die höchste Auszeichnung im US-Journalismus, den Pulitzer-Preis. Die Offshore-Industrie mache die Armen ärmer und vertiefe die Vermögensungleichheit, sagt Brooke Harrington, Autorin des Buches "Kapital ohne Grenzen", der Süddeutschen Zeitung. Das System der Steueroasen ermögliche es nicht nur, Steuern zu vermeiden, sondern auch, Gesetze gezielt zu umgehen, die Reichen nicht passen. "Für die Superreichen gibt es eine Welt außerhalb des Rechts", so Harrington. (mit Material der dpa) / (kbe)