Zwischenglied

Auslauf für den Mercedes-AMG C 43 4Matic

Der Mercedes-AMG C 43 balanciert zwischen der boshaften Unterstellung, ein Discount-AMG zu sein, einer Einordnung als „Sportmodell für Allrad-Warmduscher“ durch Auto-Machos und nicht zuletzt dem selbst erhobenen Anspruch auf Eigenständigkeit – vor allem als T-Modell. Wir gaben ihm Auslauf

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Mercedes-AMG C 43 4Matic 25 Bilder

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Wegen seiner Nähe zum Großserien-Spitzenmodell C 400 und seiner Entfernung zum C 63 mit „bösem“ AMG-V8 und Standardantrieb nach der reinen Lehre hat es der Mercedes-AMG C 43 nicht ganz einfach. Er balanciert zwischen der boshaften Unterstellung, ein Discount-AMG zu sein, einer chauvinistischen Einordnung als „Sportmodell für Allrad-Warmduscher“ und dem selbst erhobenen Anspruch auf Eigenständigkeit. Seine Erscheinungsform als lebenspraktischer Kombi scheint den Rechtfertigungsdruck eher noch zu verstärken.

Dabei kann sich immerhin seine Bezeichnung auf eine 20-jährige Tradition berufen. Im C 43 AMG brachte AMG einen 4266 cm³ großer V8 (aus dem E430) auf heute fast bescheiden wirkende 306 PS. Er kam 1997, ebenfalls wahlweise als T-Modell heraus – kurz bevor DaimlerChrysler die Mehrheit an der vormaligen Tuningbude mit Sternschwäche erwarb.

Mit der Literleistung eines Kleinwagens

Heute müssen drei Liter, sechs Zylinder und zwei Turbolader für 367 PS reichen. Klingt viel, liegt aber in der Literleistung von 122 PS inzwischen auf dem Niveau der kräftigsten Ein-Liter-Dreizylinder für Brot-und-Butter-Kleinwagen. Der im Seat Ibiza leistet hubraumbereinigt ebensoviel, der des Ford Fiesta kommt sogar auf 140 PS pro Liter. Große Modifikationen waren dazu am Großserienmotor auch gar nicht nötig. Die bestimmenden Themen im Lastenheft werden wohl kaum mehr als „mechanische und thermische Haltbarkeit“ umfasst haben – wenn überhaupt, denn bereits im Großserien-C 400 leistet dieser Motor 333 PS.

Dieser moderaten Leistungssteigerung ist der Wandler der Neungang-Automatik noch gewachsen, weil die Drehzahl nicht über die physikalischen Grenzen des Wandlers hinaus wuchs. Das bedeutet, AMG braucht nicht das MCT-Renngetriebe einzubauen, das auf der älteren Siebengang-Automatik basiert und statt eines Wandlers eine automatisch betätigte Mehrscheiben-Reibkupplung trägt. Im 43er bietet ein am Getriebeausgang angeflanschtes Differenzial echten permanenten Allradantrieb. Mit einem zusätzlichen Planetenradgetriebe wird die Antriebskraft asymmetrisch mit einem Anteil von 69 Prozent nach hinten weitergegeben. Das alles gibt der vorhandene Antriebsbausatz von Daimler her, nichts von der Antriebs-Hardware ist AMG-typisch. Ihre Abstimmung ist es allerdings schon.

Kurvengrip dank AMG-Fahrwerkshardware

In die Vollen geht AMG beim C 43 nur bei der Fahrwerkstechnik und baut vorn eigene Achsschenkel wie beim C 63 mit stärker negativem Sturz ein. Die Spur wächst allerdings nicht so extrem wie bei AMGs höchster Ausbaustufe. Dazu kommen geänderte Feder- und Dämpferraten sowie eine leistungsfähigere Bremsanlage. Das ist grundvernünftig, allein diese Maßnahmen würden bereits jedes motorisch ungetunte C-Klasse-Modell auf einem Rundkurs deutlich schneller machen.

Der Spagat zwischen bürgerlich-gediegen und leichten Anwandlungen von Krawall ist von AMG bekannt und scheint auch beim C 43 so gewollt. Von außen fällt aber nicht jedem auf den ersten Blick auf, was in dem eleganten Kombi steckt, denn abgesehen von etwas vergrößerten Löchern an der Front und ein paar dezenten, eher optisch als aerodynamisch zu begründenden Modifikationen am Heck ist der AMG am ehesten an seinen Felgen und Niederquerschnittsreifen zu erkennen.

Die Rennfolklore ist nicht obligatorisch

Am Interieur unseres Testexemplars schon eher. Schwarz, Silber und Grau mit viel Kohlefaser-Optik kontrastiert mit roten Nähten und roten Automatik-Dreipunkt-Gurten – an Integralsitzen mit Lehnenlöchern für Vierpunkt-Statikgurte. Ähnlich rennfolkloristisch: die gurtfarbige Zwölf-Uhr-Markierung aus Leder am unten flachen Lenkrad und gummibenoppte Alupedale. So weit, so AMG, und zwar im Kontrast zur unbestrittenen Gediegenheit der C-Klasse. (Mehr dazu können Sie in unserem Test über den C 200 Bluetec lesen). Bestellen muss man es aber nicht in dieser Form, es gibt unzählige Möglichkeiten, den Wagen innen dezent und edel auszustatten. An den Sitzen gefiel uns die Vielfalt der Einstellmöglichkeiten bis hin zur getrennten Breiteneinstellung von Sitzfläche und Lehne – ausgenommen die Kopfstütze, natürlich.

In Fahrt irritiert zunächst die Unruhe aus dem Fahrwerk. Einen kräftigen Beitrag leisten die unnachgiebigen Stabilisatoren mit einer gefühlten Verwindung von wenigen Millimetern. Man denkt: „... und das schon im Komfortmodus – !” Ein paar Kurven lassen das Thema zunächst vergessen. Sie verdeutlichen, wie gut die geänderte Vorderachsgeometrie dem Kurvengrip der Reifen tut. Der V6 wiegt rund 175 kg und macht den C 43 nicht zu einem argen Untersteuerer. Den nur rund 140 kg wiegenden, theoretisch auch für den Längseinbau geeigneten Reihenvierer bietet AMG nur für die Quermotor-Modelle an – und die meisten AMG-Freaks fänden eh einen V8 besser). Die nie zu leichtgängige Zahnstangenlenkung bleibt dabei ausreichend transparent.

Mit motorischem Krafteinsatz wird dann aus dem unspektakulär-korrekten Exekutieren der vorgegebenen Linie ein freudvolles Einlenken mit nach außen drängendem Heck. Die befürchtete Allrad-Ödnis bleibt aus, die Traktion ist beeindruckend. „Almost no nonsense“ gewissermaßen, denn gaskrank driften (auf Kosten der Rundenzeiten) lässt sich natürlich besser in einem Standardantriebs-C 63.