Klartext: Versuch macht kluch
Der Fachmagazinmarkt geht den Bach herunter, allerdings so langsam, dass nur wenige es wirklich wahrnehmen. Was die Zukunft sein könnte, wissen wir schlicht nicht. Wir mĂŒssten Dinge ausprobieren
Jedes Quartal schickt Kollege Maik (Motorradmagazin MO) unter Kollegen die aktuellen Zahlen der IVW herum, und jedes Mal sind sie etwas kleiner als beim letzten Mal. Es sind keine dramatischen Klippen in diesen Kurven der IVW, die stets die Verbreitung von Medienobjekten misst. Es gibt keine tiefen, abrupten Löcher, in die die Fachmagazine geraten sind, und vielleicht ist gerade das am gefĂ€hrlichsten. Wir kennen alle die Parabel vom Frosch. FĂ€llt er in zu heiĂes Wasser, springt er sofort heraus. Aber liegt er in Wasser, das ganz langsam immer heiĂer wird, kocht sein Leben aus, ohne dass er je den einen Anlassschwellenwert gehabt hĂ€tte, den Sprung ins Ungewisse zu tun.
Wenn ich mich mit Fachmagazin-Kollegen unterhalte, herrscht noch immer der Gedanke vor, dass man nur mit den bekannten Mechanismen das perfekte Heft machen mĂŒsse, dann kĂ€men die Leser schon. Dieser Gedanke liegt nahe und gar nicht mal falsch. Er dreht und angelt nur eben um den Definitionskontext des Adjektivs âperfektâ oder seine genauso gemeinten Synonyme (ârichtig gutâ), genauso wie um die Bedeutung des Substantivs âHeftâ. Ich halte wenig vom Thema âMĂ€nner mit gut geölten BĂ€rten dilettieren bedeutungsschwanger mit der Flex um ihre alten KackstĂŒhle herumâ, aber ich halte viel davon, wie Rolf Henniges eben dieses Thema im Heft âFuelâ aufbereitet: tolle Fotos, offen-modernes Layout, gekonnt abgestimmte Themenmischung, gedruckt auf gutem Papier.
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Im Kontext Bartölbedeutungsschwangerer passt das Medium Papier, weil diese Zielgruppe ja auch aus dem Manufaktum-Katalog Bakelit-Telefone und -Lichtschalter kauft. Je Ă€lter eine Technik ist, umso mehr wird sie geliebt, solange die allgemeine Bequemlichkeit nicht darunter leidet. Vinylplatten. Geil. Werden alle drei Monate mal aufgelegt, um im Kratzen der Nadel in Jugenderinnerungen zu schwelgen. Im Alltag lĂ€uft aber Spotify. Holzöfen. Geil â solange zusĂ€tzlich die Zentralheizung beliebigen Brennstoffs im Keller fast wartungsfrei vor sich hinbrummelt. Selbst das Retromotorrad, der in Metall gefrorene Batzen Siebzigerjahre-Selbstverwirklichung, heilt zwar die Seele, muss aber nicht wirklich als Transportmittel funktionieren. Das tut irgendein Furz-Vierzylinder-Vierrad. In dieser GefĂŒhlswelt tut die Fuel genau das, was Rolf will: Sie betankt die Seele mit Treibstoff oder profaner: Sie schmiert emotionalen Schmalz zum Interessengebiet Motorrad in die Momente, in denen der Leser MuĂe dazu hat.
Digital first, Bedenkenförster
Die Fuel verkauft sich erfreulicherweise gut genug, dass der Verlag sie regelmĂ€Ăig herausbringt. Andere Print-Beispiele laufen sogar extrem gut: Die Bilder-Zeitschrift âLandlustâ explodierte auflagentechnisch vor einigen Jahren und begrĂŒndete das ganze Genre âLandlust-Kopienâ. Von solchen Geschichten lĂ€sst sich ein Heftemacher gern faszinieren. Einmal eine Auto-Landlust an den Start bringen! Das wĂ€râs. Ausgesorgt. Wir mĂŒssen dabei aber schnell feststellen, dass lokale Anekdoten gegenteiliger Entwicklungen wie Fuel oder Landlust nichts daran Ă€ndern, dass der Hauptmarkt in seiner Gesamtheit weiterhin schrumpft. Leser starren immer weniger auf Papier und immer mehr auf Bildschirme. Das geht seit Jahrzehnten so, ohne dass die etablierten Verlage etwas daraus machen konnten.
Das Wegbröckeln der Leser wĂ€re nicht so schlimm, wenn es nicht im Gleichschritt einherginge mit einem Webröckeln der eigentlichen Kundschaft: der Werbetreibenden. In gewissem MaĂe orientiert sich das Eine am Anderen: LeserquantitĂ€t und -qualitĂ€t bestimmen die Werbenachfrage. DarĂŒber hinaus erlebt die Werbeindustrie jedoch parallel zu den Medien ihre eigene Krise, fĂŒr den Endverbraucher wohl am besten sichtbar darin, dass mĂŒhsam aufgepĂ€ppelte Markennamen in peinlichsten Influencer-Kampagnen verfeuert werden. Unmoderiert werden die Marken in extremo so wertlos werden, dass sie von ganz unten wieder neu heraufgepĂ€ppelt werden mĂŒssen. Dann rummst das Geldschott sofort in die VollschlieĂung. Man könnte also als Verlag auf den Influenza-Zug aufspringen, wĂŒrde aber mittelfristig gesehen damit einfach nur mit auf diesen Abgrund zufahren.