Schneller rechnen mit Atom-Qubits

Ein alternativer Ansatz für Quanten-Berechnungen zeigt überraschendes Potenzial: Zwei Forschergruppen haben Rechenmaschinen mit Atom-Qubits gebaut, die gut zu praxistauglichen Systemen zu skalieren sein könnten.

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Von
  • Will Knight
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Quantencomputer mit atemberaubender Rechenleistung rücken näher. Jetzt haben zudem zwei Forschergruppen gezeigt, dass sich ein von anderen weitgehend ignorierter Ansatz möglicherweise deutlich besser skalieren und für nützliche Aufgaben einsetzen lässt: Berechnungen mit Hilfe von gefangenen Atomen. Ihre Systeme stellen zwar keine universellen Quantencomputer für beliebige Berechnungen dar, doch sie zeigen, dass der Atom-Ansatz mehr Potenzial haben könnte als bislang gedacht. Ebenfalls sprechen die neuen Erkenntnisse dafür, dass Atome letztlich die bessere Methode sein könnten, um aus Labor-Systemen praxisgerechte Quantencomputer im großen Maßstab zu machen.

Die beiden Fachaufsätze dazu wurden Ende November in der Zeitschrift Nature veröffentlicht und stammen von Teams an MIT und Harvard University sowie an der University of Maryland und den National Institutes of Standards. Beide Gruppen haben demnach spezielle Quanten-Rechenmaschinen mit jeweils mehr als 50 Qubits gebaut – deutlich mehr als das, was bislang gezeigt wurde. In beiden Fällen ging es um Quanten-Simulatoren, also Maschinen, die mit analogen Berechnungen simulieren, wie Quantenpartikel interagieren.

Quantentechnik

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Beide Systeme verwenden Atome, aber auf unterschiedliche Weise. Das von MIT und Harvard steuert 51 Qubits mit Hilfe von Lasern, die neutrale Atome in einem angeregten Zustand gefangen halten. Das System von University of Maryland und NIST arbeitet mit 53 Qubits, bei denen goldbeschichtete Elektroden eine Falle für Ytterbium-Ionen bilden. Beide Varianten sprechen dafür, dass derartige Quanten-Maschinen durchaus das Potenzial haben, den bislang dominierenden Ansatz zu übertreffen.

"Zwar ist unser System noch kein universeller Quantencomputer, doch wir können es effektiv programmieren, indem wir die Interaktionen zwischen den Qubits kontrollieren", sagt Mikhail Lukin, ein Physiker in Harvard, der zusammen mit Vladan Vuletic vom MIT eines der Systeme entwickelt hat.

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Will Zeng, Forscher bei Regitti Computing – einem Unternehmen, das mehrere zehn Millionen Dollar Wagniskapital für Quanten-Computertechnik eingesammelt hat – bezeichnet Quanten-Simulationen in diesem Maßstab als bedeutenden Fortschritt. Tatsächlich war die Simulation von Quanten-Effekten sogar der ursprüngliche Zweck von Quantencomputern, wie sie der Physiker Richard Feynman vor mehr als 40 Jahren vorgeschlagen hat. Wissenschaftler könnten jetzt "einen Teil des Potenzials von Quantencomputern zeigen, also sind die Ergebnisse spannend", sagt Zeng.

Quantencomputer arbeiten grundlegend anders als konventionelle Rechner, die nacheinander als 0 oder 1 codierte binäre Informationen verarbeiten: Sie nutzen zwei kontraintuitive Eigenarten der Quantenmechanik, Verschränkung und Überlagerung, um Berechnungen parallel vorzunehmen. Mehrere Dutzend Quanten-Bits können in einem Schritt Berechnungen an Milliarden von Informationseinheiten erledigen.

Jahrelang blieb diese Technologie für Physiker ein ferner Traum, doch sie hat ohne Zweifel enormes Potenzial. Mittlerweile wächst die Erwartung, bald endlich Maschinen bauen zu können, die nützliche Aufgaben übernehmen.

Die Schwelle von 50 Qubits ist dabei bedeutend, denn ungefähr ab dieser Zahl können Quanten-Maschinen Berechnungen vornehmen, die selbst auf den größten normalen Supercomputern schwierig oder sogar unmöglich wären. Manche Wissenschaftler sprechen ab diesem Punkt von einer "Quanten-Überlegenheit". Sowohl Google als auch IBM arbeiten derzeit an universellen supraleitenden Quanten-Computern mit ungefähr derselben Anzahl an Qubits.

Vielleicht am relevantesten an den neuen Veröffentlichungen ist, dass die Qubits in den Atom-Systemen eine bessere Skalierbarkeit versprechen, sagt Chris Monroe, Professor an der University of Maryland und Hauptautor des zweiten Aufsatzes. Die Qubits in Festkörper-Systemen sind nicht identisch, so dass diese sorgfältig kalibriert werden müssen, was mit zunehmender Größe immer schwieriger wird. Qubits auf Basis von Atomen dagegen sind zwar schwieriger zu steuern, aber identisch, so dass sie keine Kalibrierung benötigen. "Auf gewisse Weise sind Atome das perfekte Qubit", sagt Monroe. Atom-Systeme könnten sich nach seinen Worten zudem als leichter rekonfigurierbar erweisen, so dass sie für eine größere Bandbreite an Problemen geeignet wären.

(sma)