KI: Silicon Valley schnappt Universitäten die Forscher weg

Für Experten im Bereich der Künstlichen Intelligenz war der Arbeitsmarkt selten so gut wie heute. Großkonzerne und Start-ups buhlen um sie – und die Hochschulen haben das Nachsehen.

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Egal ob bei Apple, Google, Facebook, Amazon oder Microsoft: Kaum ein Feld der Informatik wird aktuell derart rasant vorangetrieben, entwickelt und erforscht wie die Künstliche Intelligenz (KI) mit ihren Bereichen wie maschinelles Lernen (ML) oder den artifiziellen neuronalen Netzwerken (NN).

Die IT-Giganten an der amerikanischen Westküste sehen in smarten Services eines der zentralen Standbeine für ihre Zukunft – seien es nun intelligente Assistenten wie etwa Siri (Apple) oder Alexa (Amazon), smarte Chatbots (zu bewundern bei Facebook und Microsoft) oder Bilderkennungssysteme, die mittlerweile fast so gut sehen können sollen wie ein Mensch (Google). Grundlagenforschung wird dabei ebenso betrieben wie deren praktische Umsetzung, was junge Experten in Scharen anzusprechen scheint. Hinzu kommen hervorragende Gehälter. Das alles hat direkte Auswirkungen auf die universitäre Forschung.

So kommt es mittlerweile regelmäßig vor, dass Doktoranden im Feld der KI ihre Promotion schmeißen, um die Arbeit im Labor gegen enorme Einstiegsgehälter im Silicon Valley einzutauschen. Daneben werben die Konzerne auch Professoren an und ab. Ein Beispiel ist Ruslan "Russ" Salakhutdinov, der seit vergangenem Jahr als "Director of AI Research" bei Apple tätig ist. Er arbeitete zuvor als Associate Professor in der Abteilung Maschinelles Lernen des Instituts für Informatik der Carnegie Mellon University (CMU). Die Hochschule in Pittsburgh, Pennsylvania, gilt als eine der Top-Universitäten im KI-Bereich – einer der Gründe, warum etwa der Fahrdienst Uber in der Stadt Forschung betreibt.

Salakhutdinov ist allerdings einer jener KI-Experten, die versuchen, dem Hochschulbetrieb nicht gänzlich zu entsagen. Die CMU verließ er trotz des hohen Postens bei Apple nämlich nicht und forscht und unterrichtet dort weiter. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass sich Apple zwischenzeitlich – und für den Konzern äußerst untypisch – gegenüber der Lehre öffnete. So betreibt der iPhone-Konzern ein Blog zum Thema maschinelles Lernen und publiziert erstmals seit Jahrzehnten eigene Paper zum Thema KI, die auch offen diskutiert werden dürfen.

Anderen Hochschulen geht es nicht so gut wie der CMU. So berichtete der "Guardian" im Herbst von einem Doktoranden am Imperial College London, der plötzlich nicht mehr in der Hochschule auftauchte. Er habe einen sechstellig dotierten Job im Silicon Valley angenommen. Die Summe sei so hoch gewesen, dass er einfach alles liegengelassen habe, wird seine zuständige Professorin zitiert. Das Gehalt habe beim Fünffachen dessen gelegen, was die Uni anbieten konnte. Andere, ungenannte Universitätsvertreter sprechen bereits von einer "verlorenen Generation" von Forschern, die nicht mehr an Hochschulen sondern in der Wirtschaft arbeiten. Das hat Auswirkungen auf den gesamten Lehrbetrieb: Fehlt es an Juniorprofessoren und Dozenten, kann auch der Nachwuchs nicht mehr ausgebildet werden. Der Hype scheint zumindest ganz real zu sein.

(bsc)