Macht Blut jung?

Das US-Start-up Alkahest will Alzheimer-Patienten mit dem Blut junger Spender behandeln.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Wenn sich das Verfahren durchsetzt, wäre es eine ganz neue Art von Generationenvertrag: Junges Blut hilft alten Menschen. Mehrere Tierexperimente haben die Hoffnung befeuert, dass Transfusionen ein Jungbrunnen werden könnten. Nun wurde das Phänomen erstmals in Humanexperimenten untersucht.

Schon 2005 verbanden US-Forscher den Blutkreislauf einer alten und einer jungen Maus. Bei der alten beobachteten sie daraufhin, wie sich Leber- und Muskelgewebe verjüngte. Die Ergebnisse dieser sogenannten Parabiose-Experimente ließen sich jedoch bisher nicht zufriedenstellend wiederholen.

TR 01/2018

Ermutigende Ergebnisse haben auch Forscher um Tony Wyss-Coray an der Stanford University erzielt. Sie benutzten sogenanntes Blutplasma, bei dem Bestandteile wie Blutkörperchen, Blutplättchen und Immunglobuline entfernt wurden, um ungewollte Gerinnungs- oder Immunreaktionen zu verhindern. Erhielten alte Mäuse wiederholt Plasma von jungen Artgenossen, verbesserte sich ihr Erinnerungsvermögen. Dafür könnte unter anderem eine verstärkte synaptische Aktivität verantwortlich sein, schrieben die Forscher 2014 im Fachjournal "Nature Medicine".

Noch im selben Jahr gründete Wyss-Coray das Start-up Alkahest, um seine Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren. Laut der Theorie von Alkahest sammeln sich im Blut der Tiere mit der Zeit immer mehr Substanzen an, die Alterserscheinungen hervorrufen. Parallel dazu nimmt die Menge jung haltender Faktoren stetig ab. Die Forscher vermuten, dass einige Faktoren für die verbesserte Erinnerung der alten Nager im Experiment verantwortlich sind.

In einer kleinen Studie überprüften sie nun an Menschen, "ob die Methode sicher ist und ob es einen ersten prinzipiellen Beweis gibt, dass Plasma Substanzen enthält, die gegen neurodegenerative Krankheiten wirksam sind", sagt Joseph McCracken, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Alkahest. Dazu bekamen 18 Patienten mit beginnender Alzheimer-Krankheit Blutplasma von jungen Spendern. In der ersten doppelblinden Studienhälfte erhielten neun Patienten einen Monat lang wöchentlich einmal Blutplasma, während neun Kontrollpatienten eine Salzlösung bekamen. Nach einer Auswaschphase von vier Wochen erhielten dann beide Gruppen die jeweils andere Behandlung. In der zweiten, unverblindeten Studienhälfte erhielten neun weitere Kranke Blutplasma.

Das Ergebnis: Beide Ziele wurden laut McCracken erreicht. So seien keine ernsthaften Nebenwirkungen aufgetreten. Kognitive Verbesserungen konnten die Forscher mit Standardtests zwar nicht nachweisen. Aber den Pflegern zufolge waren Patienten öfter eigenständig und konnten sich zum Beispiel selbst anziehen. Außerdem seien sie wacher und aufmerksamer gewesen.

Als Nächstes will das kalifornische Unternehmen den Patienten nur noch bestimmte Plasmabestandteile verabreichen, um den Kreis der möglichen Jungbrunnen-Mittel einzugrenzen. "Vollplasma ist kein kommerziell verwertbares Therapeutikum", sagt McCracken. "Wir stecken viel Arbeit in die Identifizierung seiner Bestandteile und die Optimierung einer Teilmischung." Anfang 2018 soll eine weitere Pilotstudie mit schwer kranken Alzheimer-Patienten starten.

Diese Strategie stellt eine deutliche Abkehr von der bisher gängigen Alzheimer-Behandlung dar, bei der Eiweißablagerungen im Gehirn der Patienten bekämpft werden. Erfolgreich waren diese Methoden bislang aber nicht.

Angesichts der kleinen Patientenzahl und der vagen Ergebnisse halten es allerdings viele Experten für verfrüht, allzu positive Schlüsse zu ziehen. Irina Conboy von der University of California in Berkeley kritisiert die Alkahest-Studie in mehreren Punkten sehr deutlich. So sei es riskant, älteren Menschen Plasma zu verabreichen. "Da können noch Jahre später schwere Nebenwirkungen auftreten, wenn fremde Proteine wiederholt das Immunsystem reizen. Es kann sogar zu multipler Sklerose oder einem allergischen Schock kommen – und die Patienten haben bereits Entzündungen im Gehirn", sagt die Forscherin.

Außerdem hält Conboy vier Wochen für zu kurz, um positive oder negative Wirkungen zu sehen. Dazu seien Monate nötig. Fragwürdig sei auch, dass alle Patienten sowohl eine Behandlung als auch die Placebo-Salzlösung bekommen hätten. Conboy bemängelt ferner, dass in der zweiten Studienhälfte die Kontrollgruppe gefehlt habe und die Ergebnisse stattdessen mit der ersten Kontrollgruppe verglichen wurden. "Einen solchen Aufbau würden Fachjournale kritisieren, wenn es so eingereicht würde", moniert die Wissenschaftlerin. "Es ist ungewöhnlich, die Ergebnisse erst drei Jahre nach der Studie vorzustellen und dann auch nur bei einer Tagung."

Aus ihrer eigenen Parabiose-Forschung hat Conboy den Schluss gezogen, dass nur das Blut junger Mäuse bei alten Nagern keine Verjüngungseffekte auslöst. "Das Geheimnis der Jugend besteht eher darin, aus altem Blut den Überschuss an Substanzen zu entfernen, die im Alter gehäuft produziert werden und Alterungsprobleme auslösen", sagt Conboy. Parallel dazu könne man Moleküle verabreichen, die im Alter fehlen. "Das ist viel sicherer."

(bsc)