Post aus Japan: Verzweifeltes Elektroauto

Manchmal reicht es nicht aus, eine schräge Idee zu haben. Man muss auch in der Lage zu sein, sie durch ein schlechtes Design in die Realität umzusetzen. Das beweist das japanische E-Fahrzeug "Earth 1".

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Von
  • Martin Kölling
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Für ein kleines E-Auto-Startup, das nur eine rudimentäre Homepage besitzt, hat Four Link System bereits erstaunlich viel Beachtung in Nippon angelockt. Nachdem Japans wichtigste Wirtschaftszeitung "Nikkei" über das faltbare Elektroauto der Tüftler aus Tokio berichtet hatte, wurde die Idee namens "Earth 1" auch global durch die News kutschiert.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Die Überschriften verstärkten bei mir den Eindruck noch, dass sich meine Kollegen bemühten, die Nachrichtenflaute zwischen Weihnachten und Neujahr zu überbrücken. "Startup's electric car may not 'beat Toyota' but it will turn heads", titelte die Nikkei. In der singapurischen "Strait Times" löste das Origami-Auto bereits urbane Parkplatzprobleme. Andere verglichen es mit Transformern, jenen Autorobotern aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Filmen, die wahlweise die Menschheit vernichten oder retten wollen.

Damit ist der Plan von Four Link System spektakulär aufgegangen: Um in der Autowelt Aufmerksamkeit auf sein Produkt zu ziehen, sollte das Auto an den überdimensionierten, von Menschen gesteuerten Roboteranzug des Anime "Robot Suit Gundam" erinnern.

Das Cockpit des Zweisitzer wurde daher nicht nur wie die Pilotenkabine der Comicvorlage gezeichnet, sondern das Heck auch mit Flügeln versehen, wie die Autowelt sie seit den 50er Jahren nicht mehr gesehen hat. Der Hit allerdings ist ein quer eingebautes Scharnier in der Automitte, so dass der Wagen sich Platz sparend zusammenfaltend aufstellen kann.

Das Unternehmen gibt sich alle Mühe, ernsthaft zu erscheinen. Im März soll die Straßenzulassung in Japan beantragt werden, erzählte der Firmenchef Hiroomi Kinoshita der Nikkei. Und glaubt man ihm, lasten die Vorbestellungen das Unternehmen bereits aus. 30 Aufträge will die Bude schon für das rund 60.000 Euro teure Vehikel erhalten haben.

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Doch mehr als eine Medienkarriere als Lückenfüller wird dieses Gefährt meiner Meinung nach nicht erreichen. Denn das schräge Roboterdesign kann nicht darüber hinweg täuschen, dass hier lediglich eine Machbarkeitsstudie auf die Straße gestellt und kein wirkliches automobiles Neuland mit breiten Auswirkungen auf die Automobilindustrie erschlossen wurde. Dabei gebe es so viel zu erneuern.

Ich vermisse bis heute innovative Plattformen und Produktionssysteme für urbane, leichte wie preiswerte Stadtflitzer wie der ehemalige Formel-1-Ingenieur Gordon Murray versprochen hat.

Richtig begeistert wäre ich überdies, wenn jemand endlich Radnabenmotoren zur wettbewerbsfähigen Großserienreife entwickeln und vor allem einsetzen würden. Denn die könnten das Autodesign wirklich revolutionieren. Und so lautet mein vorläufiges Urteil über "Earth 1": Schade um die verschwendete kreative Energie.

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