Menschenmengen lassen sich nur bedingt per WLAN messen

Weil nur wenige Nutzer die WLAN-Funktionen ihrer Smartphones deaktivieren, kann man sie leicht aufspüren und zählen. Bei großen Menschenmengen funktioniert das aber nur bedingt.

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National Mall, Washington, am Tag der Angeloung Donald Trumps

Wieviele Leute sind das etwa?

(Bild: NPS)

Lesezeit: 4 Min.
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Die Größe einer Menschenmengen abzuschätzen, indem man die WLAN-Signale mitgeführter Geräte zählt und hochrechnet, funktioniert nur mit erheblichem Mehraufwand. Das hat die niederländische Forscherin Dorine C. Duives von der TU Delft festgestellt. Weil die Hochrechnungsfaktoren für jede Veranstaltung neu ermittelt werden müssen, eignet sich die Methode vorwiegend für mehrtägige Ereignisse.

Dorine Duives von der TU Delft auf dem Jahrestreffen des Transportation Research Board 2018

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

“Und in einem halben Jahr funktioniert das so vielleicht gar nicht mehr”, erzählte Duives heise online auf dem 97. Jahrestreffen des Transportation Research Board in Washington, DC, “Weil immer mehr Handys [bei Probe Requests] laufend ihre MAC-Adresse verändern, greifen wir auf Hashes der ebenfalls ausgesendeten Gerätenamen zurück. Aber [dank neuer EU-Datenschutzbestimmungen] werden wahrscheinlich auch diesen Daten bald durch zufällige Werte ersetzt werden.”

Abzuwarten sei, wie lange ein Gerät einen Zufallswert beibehalten wird, bevor er durch einen neuen Zufallswert ersetzt wird. “Jede Minute? Alle drei Stunden?”, sagte Duives, “Davon wird abhängen, ob und wie gut die Zählmethode noch funktioniert.” Hintergrund ihrer Versuche ist das Interesse von den Sicherheitsbeauftragten großer Veranstaltungen an Zahlen dazu, wie viele Personen sich in einem bestimmten Areal aufhalten.

Manuelle Menschenzählungen sind aufwändig; automatische Kamera-Auswertungen funktionieren gut, wenn die Zählobjekte vorbeigehen, aber schlecht, wenn sie herumstehen. Duives System setzt Zählkameras daher nur an den Ein- und Ausgängen des Veranstaltungsgeländes ein. Dazu kommen WLAN-Sensoren sowohl bei den Zugängen als auch im Areal verteilt. Mit den Sensoren versucht sie, die (zwecks Datenschutz unmittelbar gehashten) MAC-Adressen und Gerätenamen ("Annas Handy") aller WLAN-Geräte zu erfassen.

Allerdings schwankt die Ergiebigkeit der WLAN-Sensoren: Je mehr WLAN-Signale zu erfassen wären, umso kleiner wird der von einem Sensor abgedeckte Bereich und damit der Anteil elektronisch erfasster Besucher. Dazu kommt, dass manche Besucher keine Geräte mit aktivem WLAN-Chip mit sich führen, manche mehrere solcher Geräte. Diese Verteilung hängt vom Publikum ab, dessen Zusammensetzung wiederum von Faktoren wie Art der Veranstaltung und Tageszeit abhängt. Jüngere Niederländer haben tendenziell neuere Handys mit besserem Datenschutz – bei ihnen werden weniger individuelle Geräte erfasst, als bei älteren Personen.

Zunächst vergleicht Duives die von den Kameras erfasste Zahl einströmender Besucher mit der Zahl der im Eingangsbereich erfassten individuellen WLAN-Geräte, abzüglich statischer Geräte wie etwa WLAN-Drucker oder -überwachungskameras. Daraus ermittelt sie einen statischen Hochrechnungsfaktor. "Der liegt meistens zwischen 4 und 5", berichtete sie. Bei einer großen niederländischen Radiomusikveranstaltung im Dezember 2016 waren es aber nur 3,83, beim gleichen Ereignis ein Jahr später 4,5.

Mit diesem Faktor wird die Zahl der von WLAN-Sensoren im jeweils beobachteten Teil des Veranstaltungsgelände erfassten Geräte multipliziert. Allerdings führt der schwankende Empfangsbereich der Sensoren bei geringen Besucherzahlen zu leicht überhöhten Schätzwerten, bei hohem Andrang zu deutlich zu geringen Ergebnissen. Daher muss zusätzlich zum statischen Hochrechnungsfaktor noch ein dynamischer ermittelt werden, der jedes zusätzlich erfasste WLAN-Signal stärker bewertet. Je mehr Menschen kommen und je jünger sie sind, desto größer muss der dynamische Faktor sein.

Wenn der Polizeivan kommt, spielen die WLAN-Sensoren verrückt: Das Einsatzfahrzeug emittiert zu viele Funksignale.

(Bild: gemeinfrei)

Die am ersten Tag der niederländischen Musikveranstaltung ermittelten Hochrechnungsfaktoren haben sich laut Duives auch an den weiteren Tagen des selben Ereignisses als anwendbar erwiesen. Für andere Veranstaltungen müssten sie aber neu ermittelt werden. Das galt selbst für die gleiche jährliche Veranstaltung ein Jahr später.

Duives Kurven zeigten im Tagesverlauf mehrere kräftige Ausschläge nach oben: "Das war ein Kleinbus der Polizei. Jedes mal, wenn der vorgefahren ist, gab es plötzlich ganz viele Funksignale", erläuterte die niederländische Forscherin, "Einmal haben sie das Fahrzeug nahe einem unserer Sensoren geparkt. Von dem haben wir dann überhaupt keine brauchbaren Daten bekommen."

Verkehrsforscher, Behördenmitarbeiter und Branchenfachleute haben sich dieses Monat in der US-Hauptstadt zum 97. Jahrestreffen des Transportation Research Board (TRB) eingefunden. Mit mehr als 13.000 Teilnehmern soll es die größte Veranstaltung ihrer Art sein. Das TRB ist eine Abteilung des Nationalen Forschungsrates (National Research Council), welcher den US-Präsidenten berät. Das Jahrestreffen des TRB ist ein Mammut-Ereignis mit fast 800 Sitzungen und mehr als 5000 Präsentationen zu Verkehrsthemen. (ds)