Gefährlicher Kunstrasen

Mikroplastik, das im Meer und später in der Nahrungskette landet, entsteht nicht nur aus Kunststoffmüll. Sportanlagen sind mittlerweile ein großer Verursacher.

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Eigentlich sehen sie so harmlos aus – und enorm praktisch sind sie auch: Kunstrasenanlagen ersparen Sportvereinen die aufwändige Graspflege auf Fußballplätzen, sie sind witterungsbeständig und robust. Entsprechend häufig sind sie in den meisten Industrieländern vertreten, Sportämter in deutschen Großstädten betreuen oft dutzende solcher Anlagen.

Allerdings zeigt sich inzwischen, dass das verwendete Kunststoffmaterial ein großes ökologisches Problem darstellen kann. Neben Plastikmüll, Kleidung aus Polyestern und anderen Kunstoffen sowie Reifen aus Kunstkautschuk stellen Kunstrasenplätze eine wichtige Quelle für die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt dar. Und erstaunlicherweise wird dies erst langsam zur Kenntnis genommen. So blieben Sportanlagen im Mikroplastik-Bericht des Umweltbundesamtes laut einem Bericht des "Deutschlandfunk" aus dem vergangenen Frühjahr zunächst außen vor.

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In Norwegen, wo jede Kommune, die etwas auf sich hält, mittlerweile eine sogenannte "kunstgressbane" hat, wird das Problem bereits sehr ernst genommen. Die Umweltschutzbehörde Miljødirektoratet gab im vergangenen Monat bekannt, dass sie schärfere Kriterien für den Betrieb der Anlagen – und möglicherweise eine direkte staatliche Regulierung – wünscht.

In Norwegen werden Kunstrasenanlagen mittlerweile als zweitgrößter landbasierter Mikroplastik-Verursacher eingeordnet – hinter Autoreifen aus Kunststoff. Rund 1600 entsprechende Sporteinrichtungen gibt es dort, die bis zu 3000 Tonnen Mikroplastik pro Jahr abgeben, die letztlich im Meer landen. Mikroplastik gelangt so in die Nahrungskette: Plankton nimmt es auf, Fische fressen Plankton oder Mikroplastik direkt – und der Mensch isst dann den Fisch.

Kunstrasenanlagen sind mehrstufig aufgebaut. Neben den direkt sichtbaren Halmen aus Kunststoff, die Rasen nachahmen, finden sich große Mengen an kleinen, elastischen Kügelchen, die häufig aus alten Autoreifen aus Kunstkautschuk produziert werden. Auf einem durchschnittlichen norwegischen Platz liegen laut Angaben des Miljødirektoratet 100 Tonnen dieses Materials. Schneit und regnet es, geht viel davon verloren und gelangt ins Abwasser. Pro Jahr müssen Platzwarte 10 Tonnen neu aufbringen, damit die Anlage bespielbar bleibt.

In Norwegen sucht man mittlerweile nach Alternativen. Das Miljødirektoratet will allerdings auch anderweitig Abhilfe schaffen. So fehlt es bislang oft an Routinen, die Abgabe des Mikroplastiks in die Umwelt zu reduzieren. Es gibt zu wenig Barrieren und laut einer Umfrage unternimmt mindestens einer von fünf Betreibern überhaupt nichts dagegen, dass die Kügelchen den Platz verlassen. Fast 90 Prozent sind sich allerdings bewusst, dass etwas getan werden muss.

Technisch wäre auch einiges möglich. So könnte man etwa Sandfallen in Drainageanlagen einbauen, die dafür sorgen, dass die Kügelchen aufgefangen werden und nicht einfach weggespült werden. Das könnte sich auch finanziell lohnen, weil klamme Vereine dann keinen neuen Belag kaufen müssen.

(bsc)