Klartext: My Big Fat Shaming

Wenn es um Gewichtsprobleme geht, reden wir in den Medien am liebsten vom Schlankheitswahn, der durch Photoshop-Manipulationen eine ganze Generation in die Magersucht treibt. Es gibt aber nur 0,3 Prozent Magersüchtige. Dagegen gibt es 60 Prozent Übergewichtige

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Ford F-150

(Bild: Ford)

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Inhaltsverzeichnis

Die Mädels korrigieren gerade wieder ihre Körperfettspeicher in Richtung gesunder Werte. Obwohl ich es hasse, wenn Kalorien und Essen das einzige Gesprächsthema werden, unterstütze ich jeden Menschen bei solchen Projekten, denn erstens sind geringe Fettspeicher am gesündesten, was die Medizin mit jeder Studie zu diesem Thema deutlich belegt, zweitens finden andere Menschen durch unser auf Gesundheit geeichtes Anziehungssystem solche gesunden Mittelwerte am attraktivsten, und drittens wird jedem Änderungswilligen schon genug Gegenwind entgegengeblasen.

Paradoxerweise weiß ich das nicht, weil ich selber gern herumdiäten würde, sondern weil ich mein Leben lang immer normalgewichtig war. Als Mensch mit medizinisch-evolutionär normalem, gesunden Gewicht bist du in einem Zeitalter stets verfügbaren billigen Brennwerts rein gesellschaftlich überhaupt nicht mehr normal. In Deutschland sind 60 Prozent der Menschen übergewichtig. 1 Prozent sind untergewichtig. 0,3 Prozent sind magersüchtig (überschneidet sich mit Untergewicht). Daraus folgt zum einen, dass die rund 40 Prozent normal schweren Menschen (mit "normal" im Sinne von "medizinisch optimaler Wertebereich" definiert) in der Unterzahl sind und damit nicht mehr "normal" im Sinne von "die Mehrheit definiert die Norm". Zum anderen folgt daraus, dass der so gern beschworene "Schlankheitswahn", der die Menschen in die Magersucht treibe, in der Breite genauso wenig existiert wie die Weltverschwörung der Gutechsenmenschen, die allen heimlich nachts Kämmtrails in die Haare macht. Ein Wahn "dick sein ist des Menschenkörpers optimaler, gesunder Zustand" existiert dagegen tatsächlich.

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The American Way im F-150: heiz-/kühlbare Zuckersuppenhalter mit schicker Beleuchtung in MÄNNLICHEN Größen vorne, und die Kinder hinten sollen auch nicht dünn werden oder verdursten. (Bild: Ford)

Normalität übt in der Menschenherde stets denselben normierenden Druck aus. Was anders ist, kann gar nicht so gut sein wie das, was man kennt. Es muss vehement geschmäht werden! Jeder, der dicker ist als die Norm, wird gemobbt. Jeder, der dünner ist, genauso. Man bezeichnet Gesundgewichtige daher gern als "Knochenhaufen", "Hering", "Hemd", "Kind" und natürlich haben die alle "Magersucht", gepaart mit (selbstredend krankhafter) Überaktivität, wenn sie gern spazierengehen oder -rennen. Das ist doch nicht normal!

Hätte ich seit der Kindheit stets das getan, was andere verlangten, wäre ich spätestens mit etwa 20 Jahren eine Vierteltonne schwer gewesen und bald danach dem Herzinfarkt erlegen. Ich kann also mein querulantes "von dir lass' ich mir gar nix sagen!" getrost auf lebenswichtige Selbstverteidigung schieben, denn ich wiege aktuell knapp 70 kg bei 180 cm Körperlänge. Langweilig-normaler geht es aus ärztlicher Sicht fast nicht. Dass ein belegt gesunder Zustand gesellschaftlich geächtet wird, ist eine höchst bedenkliche Entwicklung, und damit sind wir auch *schon* beim eigentlichen Thema dieses Kanals, dem Auto. Das ist nämlich ebenfalls viel zu fett geworden.

Das moderne Auto hat einige unglaubliche Verbesserungen hinter sich, aber zwei Aspekte werden immer problematischer: ihre Masse und ihr Volumen. Mein Gezeter als Gewichtsfanatiker, der jedem KFZ eine halbe Tonne Masse entreißen möchte, es ist eine Randerscheinung im Rauschen einer Welt, in der ein Lamborghini Huracán als Supersportwagen anderthalb Tonnen wiegt. Die sind ja nicht dumm bei Lamborghini und bauen den Sportwagen so massiv wie ihre Traktoren. Nein, sie bauen schlicht ein riesiges Auto voller Zeug, und versuchen, das so leicht wie möglich zu tun. Man "braucht" ja heute elektrisch verstellbare Ledersitze, Allradantrieb und über 2,20 Meter Breite über die Außenspiegel, sonst fällt das Auto in der Kurve sofort um und der Wind bläst das gespinstige Gebilde weg.

Den hauptsächlich virtuellen Vorteilen der besseren Straßenlage stehen die realen Nachteile gegenüber, die daraus entstehen, dass die Autos zwar breiter wurden, die meisten Straßen aber nicht, am wenigsten die kurvigen. Würde Lamborghini Damenrasierer bauen, wären sie toll gestaltet, so breit wie ein Duschabzieher, würden zweitausend Euro kosten und in der Ecke verrotten, weil Frauen sie weder halten (zu schwer) noch benutzen (zu breit) könnten.