Breitbandausbau: Tauziehen um die Regulierung im Glasfaserzeitalter

Während Union und Sozialdemokraten an der Fortsetzung ihrer nicht mehr ganz so großen Koalition und dem Zukunftsprojekt Digitalisierung arbeiten, positioniert sich die TK-Branche – und, ungewöhnlich deutlich, der Chef-Regulierer.

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Breitbandausbau: Tauziehen um die Regulierung im Glasfaserzeitalter

Jochen Homann meldet sich zu Wort – hier mit FTTH-Chefin Erzsébet Fitori und Kartellamtschef Andreas Mundt im vergangenen September in Berlin.

(Bild: VATM)

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Die deutsche Telekommunikationsbranche muss ihr tiefes gegenseitiges Misstrauen überwinden und Blockaden abbauen, die einem schnellen Glasfaserausbau entgegenstehen. Mit dieser deutlichen Ansage meldet sich der Präsident der Bundesnetzagentur in der Debatte um den Glasfaserausbau zu Wort und skizziert seine Vorstellung von der Rolle, die seine Regulierungsbehörde in Zukunft spielen soll. "Wer will, dass heute investiert wird, damit morgen eine moderne Glasfaser-Infrastruktur verfügbar ist, muss jetzt die Weichen dafür stellen", schreibt Jochen Homman in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

In Berlin verhandeln derzeit CDU, CSU und SPD über eine Fortsetzung der Großen Koalition, die sich beim Ausbau zukunftsfähiger Glasfasernetze bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat. Die Politiker sind sich inzwischen einig, das der Netzausbau ein wichtiges Infrastrukturprojekt ist. Das Sondierungsergebnis lässt allerdings noch nicht darauf schließen, dass in Sachen Glasfaser ein Ruck durch die Koalition gehen wird: Förderung für Vectoring ist nicht ausgeschlossen, die Versteigerung von Frequenzen könnte die Branche teuer kommen. So weit war Jamaika auch schon.

So meldeten sich in den vergangenen Tagen und Wochen vermehrt die verschiedenen Akteure der Branche zu Wort. Telekom-Chef Tim Höttges erneuerte auf dem DLD18 in München sein Forderung nach Deregulierung. Die Telekom möchte den Glasfaserausbau am liebsten ganz ohne Regulierung und im Verbund mit ein paar “Willigen” durchziehen. Den Regulierungsverzicht machen die Bonner zur Bedingung für den FTTH-Ausbau, auch wenn sie damit die Zustimmung ihrer willigen Koalitionäre überstrapazieren. Zugleich will die Telekom an der umstrittenen Vectoring-Technik festhalten.

Das ruft die Wettbewerber auf den Plan. In einem Brief an die Koalitionäre, über den die Welt zuerst berichtet hatte, sprechen sich mehrere Verbände erneut deutlich gegen "Regulierungsferien" für die Telekom aus. Netzbetreiber, Verbraucherschützer und Kommunen warnen in dem Schreiben, dass eine "vollständige Deregulierung" zu weniger Anbietern auf Infrastruktur- und Diensteebene führe und „die Gefahr einer Re-Monopolisierung des Markts” bestehe. Die Telekom-Wettbewerber erneuern ihr Bekenntnis zu einem offenen Markt der Kooperationen mit einer Regulierungsbehörde als Schiedsrichter.

Das ist ein Modell, mit dem sich auch Chefregulierer Homann anfreunden kann. Aber die Branche sei "noch tief gespalten und von gegenseitigem Misstrauen geprägt", schreibt der Präsident der Bundesnetzagentur in der FAZ. Die Telekom mit ihren mehr oder weniger willigen Partnern steht einer Gruppe um Vodafone und 1&1 gegenüber, die die bewährte Regulierung gerne ins Glasfaserzeitalter retten wollen. Das bremst, meint Homann: "Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Ausgangslage eines garantiert nicht passiert: nämlich die von Politik und Gesellschaft wie vom Regulierer gewünschte Beschleunigung des Glasfaserausbaus."

Homann positioniert sich für einen Behördenchef ungewöhnlich deutlich. "Die Deutsche Telekom wird akzeptieren müssen, dass ein wesentlicher Teil der Wettbewerber zwar zu Kooperationen und weitgehendem Verzicht auf Regulierung der Glasfaser bereit sind, aber im Streitfall nicht schutzlos oder auf langwierige Zivilverfahren angewiesen sein wollen", schreibt der Regulierungsexperte. Die bisherigen Regulierungsverfahren sind langwierig und kosten viel Zeit, die Deutschland beim Netzausbau nicht mehr hat. Homann plädiert deshalb für "die Rückführung der bisherigen Zugangs- und Entgeltregulierung" mit der Bundesnetzagentur als gesetzlich verankertem Schiedsrichter.

Mit dieser Position können auch die Telekom-Wettbewerber gut leben. "Wir freuen uns, dass Jochen Homann die Rolle der Bundesnetzagentur im künftigen Glasfasermarkt genau wie wir als neutraler Schiedsrichter sieht, der dann die rote Karte zeigt, wenn es kein Fair Play auf dem Spielfeld gibt", erklärt Stephan Albers vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Dabei betont der Verbandschef, dass der Übergang von der Kupfer- in die Glasfaserregulierung klar geregelt werden müsse. Der Breko fordert "einen klaren Migrationsplan, in dem für alle Anbieter die gleichen Spielregeln und Fristen gelten".

Auch Homann hat klare Vorstellungen von der künftigen Rolle seiner Behörde. "Die Bundesnetzagentur versteht sich nicht als Schutzpatron bestehender Marktpositionen oder bestimmter Geschäftsmodelle, sondern als Wettbewerbsbehörde", schreibt der Chefregulierer. "Auch die Deutsche Telekom und Vodafone müssen lernen, das zu tun, was sie immer für sich als Unternehmensziel reklamieren, nämlich mit Innovationen Kunden zu gewinnen, in Zukunftstechnologien, also Glasfaser bis in die Häuser, zu investieren und sich dem Wettbewerb zu stellen, statt den Schutz ihrer Unternehmensinteressen durch Regulierung oder den vollständigen Verzicht darauf zu verlangen."

Dass Homann sich jetzt so für die TK-Regulierung aus dem Fenster hängt, mag auch mit neuen Plänen der Koalitionäre zu tun haben. Wie das Handelsblatt berichtet, möchte die Union die Verantwortung für die Digitalisierung und den Gigabit-Ausbau künftig beim Verkehrsministerium ansiedeln. Auch die Regulierung soll dabei offenbar getrennt werden: in eine Behörde für die Telekommunikations- und Eisenbahnnetze, die dann dem Verkehrsministerium nachgeordnet wäre – beim Wirtschaftsministerium bliebe dann nur die Regulierung für den Energiesektor.

Siehe dazu auch:

(vbr)