Pseudoforschung in den Medien

Klartext: Affig

Besser hätte es kein Drehbuchschreiber hinbekommen: Pseudowissenschaftliche Versuche an Affen und Freiwilligen gehen durch die Presse. Die Versuche und die Reaktionen darauf zeigen ein beklagenswertes Verhältnis zwischen Gesellschaft, Industrie und der Wissenschaft

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wenn Regisseur Adam McKay noch absurdes Material gesucht hat für den VW-Film "The Big Fart" (mit Michael Fassbender als Matthias Müller), den ich in seinem Kopf im Werden vermute: Er fand es spätestens in den armen Affen, die gezwungen wurden, Auspuffgase eines VW New Beetle einzuatmen. Kurz darauf kam dann noch die Krönung: "Versuche auch an Menschen!", titelte die gesamte Presse, VW insgeheim für die geilen Headlines dankend, weil die klicken wie die Sucht. Absurder hätte es kein Drehbuchschreiber planen können. Ich weiß nicht, was Andere an diesem Thema ärgerte, kann aber genau benennen, was meine Stirn dabei verrunzelt: das, was diese Aktion und der gesamte Umgang damit über das Verhältnis der Gesellschaft zur Wissenschaft aufzeigt.

Fangen wir mit den Affen an. Aus der Berichterstattung weiß der werte Leser wohl bereits, dass der New Beetle einen Motor mit der von der EPA beanstandeten, nicht zugelassenen Abschalteinrichtung hatte. Was erfreulich häufig dabeistand, aber in der Empörung etwas unterging: Das war sowieso egal. Die Autohersteller wollten keine Erkenntnisse sammeln, sondern PR betreiben: Dieselabgas ist so sauber wie in dieser VW-US-Werbung mit der alten Dame und ihrem weißen Taschentuch suggeriert.

Die zehn Affen, die das Lovelace Respiratory Research Institute vermaß, mussten außer dem Abgas eines Beetle auch das eines 1999er Ford-Pickups einatmen. Die Resultate waren uneindeutig, und obwohl das Institut wahrscheinlich gern etwas dazu veröffentlicht hätte, um das an diese Bedingung geknüpfte Geld zu kassieren, gab es keine belastbaren Ergebnisse. Die Autohersteller hatten also keine PR an der Hand. Aber das lag nicht an mangelnder Motivation von Seiten der Autohersteller, sondern eher daran, dass das Lovelace Institute trotz allen Drucks etwas wissenschaftliches Rückgrat behielt.

Wer zahlt, schafft an

Was wäre passiert, wenn der alte Ford-Motor belastbar besser gewesen wäre? Die Studie wäre wohl genauso begraben worden, wie es jetzt ohne Ergebnis geschah. Vor allem aber: Wie viel kann man in vier Stunden Belastung an zehn Tieren herausfinden? Wie wir vom Rauchen wissen, hält die Lunge kurzfristig eine Menge aus. Diese systematischen Schwächen waren den Forschern vorher sehr bewusst, wie die gerade vor Gericht aufgearbeitete Kommunikation zeigt. Warum nahmen sie den Auftrag dennoch an? Weil solche Nullerkenntnis-Forschungen leider heute einen Großteil der Gelder ausmachen, die solche Institute einnehmen. Richtige, wichtige Forschung muss dazwischen stattfinden. Wenn wir das Leiden der Tiere in einen Maßstab setzen wollen (was man in der Forschung üblicherweise tut), dann ist das Traurige daran, dass ihre Lungen für maximal ein bisschen warme PR-Luft litten.

Die Studien an Menschen der EUGT waren auf dieselbe Art von Nichterkenntnis ausgelegt: Freiwillige atmeten Konzentrationen von NO2 ein, von denen aus früheren, deutlich belastbareren Studien bereits bekannt war, dass sie keine unmittelbaren Effekte zeitigen würden. Auch hier aus dem Grund, dass man keine neuen Erkenntnisse suchte, sondern PR-Material: "Schaut her! NO2 hat sich in einer STUDIE als ungiftig gezeigt!"