Digitalpolitik einer Großen Koalition: Zwischen Breitband-Unviversaldienst und "Überwachungsgelüsten"

Digitalpolitiker von Schwarz-Rot haben den geplanten Umgang mit Brennpunkten wie Breitband-Universaldienst, Vorratsdatenspeicherung, IT-Sicherheit und Online-Zensur erläutert. Das stößt bei Opposition und Wirtschaft nicht nur auf Begeisterung.

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Bundestag, Parlament, Reichstag, Bundesregierung, Berlin

(Bild: Jörn Heller, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

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Was sich hinter den teils blumigen Sätzen zu Digitalthemen im Entwurf für den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD verbirgt, wollte der Verband der Internetwirtschaft eco am Dienstag bei einem Gesprächsabend von schwarz-roten Netzpolitikern aus dem Bundestag in Erfahrung bringen. Weit oben auf der Frageliste stand die vorgesehene Universaldienstverpflichtung von Providern, schnelles Internet zu liefern. In dem Aufgabenheft heißt es an diesem Punkt: "Dazu werden wir einen rechtlich abgesicherten Anspruch zum 1. Januar 2025 schaffen und diesen bis zur Mitte der Legislaturperiode ausgestalten."

"Ein rein marktgetriebener Ansatz funktioniert nicht", begründete Saskia Esken von der SPD den Schritt. Kleinere Gemeinden würden damit nicht zum "Gigabit-Dorf". Eine Kommune in ihrem Heimatland Baden-Württemberg habe drei Jahre warten müssen, bis eine Telekommunikationsfirma dann doch entgegen anderer Ankündigungen gesagt habe: "Das geht doch nicht." Solange hätten auch bereitstehende Fördermittel nicht in Anspruch genommen werden können. Wie der Anspruch auf einen Kita-Platz solle der auf schnelles Internet so als "Damoklesschwert" über den Köpfen der Provider schweben.

Klar ist Esken, dass die Koalition die Pflicht für Breitband für alle EU-rechtskonform ausformulieren muss. "Wir wollen den systematischen Ausbau von Gemeinden", ergänzte der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek. Verschiedene Cluster sollten dabei auf 1000 MBit/s aufgerüstet werden.

"Unverhandelbar" ist für Jarzombek die festgeschriebene Komponente Open Access, bei der Anbieter Dritten freiwillig, diskriminierungsfrei, transparent und zu angemessenen Bedingungen einen Zugang zur eigenen Netzinfrastruktur gewähren. Die genauen Konditionen dafür blieben offen; im Gegenzug für eine gelockerte Regulierung im Glasfasermarkt sei der Ansatz aber wichtig, um neben dem Dienste- auch einen Preiswettbewerb aufrechtzuerhalten.

Wolf Osthaus, Mitglied der Geschäftsleitung beim Kabelnetzbetreiber Unitymedia, bezeichnete es als richtig, dass sich das Bündnis ein "ehrgeiziges" Breitbandziel gesetzt habe. Für die Wirtschaft geht er davon aus: "Am Ende werden wir deutlich schneller mehr geschafft haben." Am wichtigsten sei dafür ein geeignetes Umfeld für private Investitionen. Es bestehe eine gute Chance, 70 Prozent der bundesdeutschen Haushalte allein über Kabel mit Gigabit zu versorgen.

Nichts hält der Industrievertreter aber davon, Open Access mehr oder weniger verpflichtend zu machen. Sonst verberge sich hinter dem auf Freiwilligkeit aufsetzenden Prinzip nur ein "schöneres Wort" für Regulierung. Osthaus warnte die GroKo zudem davor, den Universaldienst "aus der Mottenkiste" zu holen.

Der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete Regierungsversprechen, die über das Ende der Legislaturperiode hinausgehen, als wertlos. Als "große Schwachstelle" im Koalitionsvertrag machte er die IT-Sicherheit aus. Schwarz-Rot habe völlig offen gelassen, "was aus Edward Snowden folgt" und wolle die Geheimdienste weiter etwa am Frankfurter Internetknoten DeCIX spionieren lassen. Zudem dürften Behörden nach wie vor Sicherheitslücken kaufen. So wisse etwa niemand, was die Entschlüsselungsinstanz Zitis mache, für die es nicht einmal eine Rechtsgrundlage gebe.

Wie ein roter Faden ziehen sich Überwachungsgelüste laut der Linken Anke Domscheit-Berg durch das Koalitionspapier. Demnach soll nicht nur Messenger-Kommunikation einfacher mithilfe etwa von Staatstrojanern abgehört werden, sondern auch die Vorratsdatenspeicherung auf Telemedien wie WhatsApp oder Signal ausgeweitet werden. Nirgends stehe zudem drin, dass künftig nicht der vernetzte Toaster oder andere Geräte aus dem Internet der Dinge "petzen" müssten. Selbst "Hackbacks" würden nicht ausgeschlossen.

Im "Jahr zehn des Trial-and-Error-Projekts Vorratsdatenspeicherung" verzichte zwar die Bundesnetzagentur nach einer gerichtlichen "Einzelfallentscheidung" darauf, Firmen mit Bußgeldern zu überziehen, die Verbindungs- und Standortinformationen nicht anlasslos für die Strafverfolger aufbewahrten, schlug Guido Brinkel, Leiter Regulierungspolitik bei Microsoft Deutschland, in die gleiche Kerbe. Diese könnten die Daten aber nach wie vor anfordern. Von Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen sei so keine Spur. Zudem könne man es als Haftungsfrage sehen, "wenn der Staat Sicherheitslücken hortet, aber die Unternehmen nicht informiert".

Bei der anhaltenden terroristischen Gefahr müssten Sicherheitsbehörden auf Geräte zugreifen können mit richterlichem Beschluss, hielt Jarzombek dagegen. Es gehe um "20 Fälle pro Jahr". Esken war in dieser Frage aber eher auf Linie der Opposition. "Damit schwächen wir unser aller Sicherheit", monierte die Sozialdemokratin. Die staatlichen Hacker nutzten nämlich eine Lücke, "die auf unser aller Smartphones offen ist". (jk)