Post aus Japan: Der neue Motor der Chipindustrie

Autobauer und Zulieferer in Japan rücken eng an die Prozessorproduzenten heran. Das zeigt etwa Toyotas Hauszulieferer Denso.

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Von
  • Martin Kölling
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Dass Autos immer mehr zu computerisierten Gadgets werden, ist schon lange offensichtlich. Immerhin stellen viele Autobauer schon seit einigen Jahren ihre Ideen und Produkten nicht mehr nur auf Auto-, sondern auch auf Elektronikmessen wie der Ceatec in Japan oder der CES in den USA aus. Doch der plötzliche Massensturm auf autonomes Fahren und aufgesmartete Autos veranlasst Japans Autoindustrie nun, sich vom Kunden der Chiphersteller immer mehr zum Mitbesitzer zu wandeln.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Gerade diesen Monat teilte Toyotas Hauptzulieferer Denso mit, seinen Anteil am japanischen Chiphersteller Renesas Electronics für umgerechnet 640 Millionen Euro von 0,5 auf fünf Prozent zu erhöhen. Denn der Autozulieferer drängt mehr und mehr in das Design von Chips hinein, die in autonomen Autos die großen Mengen an Fahrdaten auswerten können. Die Firma hofft offenbar, mit seiner Beteiligung nicht nur, Renesas strategisch in Japan zu halten, sondern auch seine Chips von Renesas produzieren zu lassen.

Die Beteiligung ist beileibe kein Zufall. Denn Renesas hat sich vom Auffangbecken für die kränkelnden Chipsparten der japanischen Elektronikkonzerne Hitachi, Mitsubishi Electronics und NEC zu einem wichtigen Chiphersteller für die Autoindustrie entwickelt. Und die Japan AG stützt das Unternehmen nach Kräften, um nicht nur von ausländischen Halbleiterkonzernen abzuhängen.

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Nachdem das Mega-Erdbeben von 2011 den schon kränkelnden Hersteller fast in den Ruin getrieben hätte, stieg 2012 der halbstaatliche Rettungsfonds Innovation Network Corp. of Japan als Retter ein. Im Schlepptau beteiligten sich auch einige Hauptkunden von Renesas. Toyota übernahm 2,5, Nissan 1,5 Prozent an dem Sanierungsfall.

Dies hatte auch Auswirkungen auf die Strategie. Renesas schloss Werke, um endlich profitabel zu werden. Doch vor allem schmiss sich das Unternehmen noch stärker an Autohersteller ran, da dort ein großer Markt noch größer wird. Denn je smarter und vernetzter die Autos werden, desto wichtiger werden kleine Rechenhirne im Auto sowie größere in Datenservern in der Cloud.

Die große wirtschaftliche Macht der Autoindustrie bringt daher die gesamte Halbleiterbranche in Bewegung. Anwendungen für Kraftfahrzeuge sind beispielsweise auch für den Grafikchiphersteller Nvidia, der mit seinen Modulen Anwendungen künstlicher Intelligenz dominiert, zu einem wichtigen Wachstumsmotor und Partner geworden. 2017 kündigten Nvidia und Densos größtem Eigner Toyota eine Entwicklungspartnerschaft an.

Auch Samsung Electronics hat Autoanwendungen stärker im Blick. Voriges Jahr setzte Südkoreas größter Konzern einen 300-Millionen-Dollar-Fonds auf, um sich in Firmen einzukaufen, die sich mit autonomen Fahren beschäftigen. Als erstes Investitionsobjekt haben sich die Südkoreaner die österreichische Firma TTTech ausgeguckt – die gemeinsam mit Renesas Kontrollsysteme für autonomes Fahren entwickelt.

Das Engagement der Japan AG an "ihrem" Chiphersteller zahlt sich langsam aus. 2016 kaufte Renesas nicht nur den auf Powermanagement spezialisierten US-Chiphersteller Intersil zu, der seit Jahresanfang als Renesas America firmiert. Der Konzern sammelt auch immer stärker im Ausland Kunden.

So entwickeln die Japaner mit dem chinesischen Autobauer Great Wall China entwickeln die Japaner mit Great Wall Technik für autonome und elektrische Autos. In Indien startet Renesas eine Kooperation mit Mahindra sportlich. Im ersten Schritt wird Halbleiterhersteller Chips für die elektrischen Formel-E-Renner der Inder liefern.

Auch finanziell geht es Renesas besser. Nach mehreren Schrumpfjahren stieg der Umsatz von Renesas im Jahr 2017 um fast ein Viertel und der Gewinn um die Hälfte. Der INCJ baut daher mit dem Aktienverkauf an Denso seinen Anteil weiter von ursprünglich 69 Prozent weiter auf jetzt nur noch 45 Prozent ab. Und Denso kann nun hoffen, sich auch in einem neuen Schlüsselprodukt der Autoindustrie als Zulieferer zu etablieren. Denn die Japaner werden verzweifelt versuchen, auch nach der nächsten Autorevolution zu den Weltmarktführern zu gehören.

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