Mutanten auf dem Acker

Kühe ohne Hörner, Schweine ohne Schwänze – und fast keine Regulierung: Die Gentechbranche in den USA hat einiges vor.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Die Homepage der Biotechnologiefirma Recombinetics schreit es hinaus: "Die Geneditierungsrevolution ist da." Jedenfalls wäre dem wohl so, wenn es nicht diese nervigen Regulierungsbehörden geben würde. Das Unternehmen verwendet das Verfahren, eine Art präzise molekulare Schere, um Nutztiere zu kreieren, die nützliche Eigenschaften haben. Die Geneditierung arbeitet dabei anders als die noch umstrittenere transgene Modifikation, bei der DNA anderer Spezies eingefügt wird – hier werden nur Veränderungen am vorhandenen Erbgut vorgenommen.

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Recombinetics und seine Partner haben die Geneditierung bereits verwendet, um Holstein-Rinder ohne Hörner zu erzeugen oder männliche Schweine, die ihre Geschlechtsreife nie erreichen, was verhindert, dass das Fleisch seinen Geschmack verliert.

Das Problem: Die zuständige Aufsicht, die US Food and Drug Administration (FDA), betrachten solche Veränderungen der DNA von Tieren so, als handele es sich um ein neues Medikament. Erhebliche Sicherheitstests werden verlangt. Recombinetics meint, das sei sinnfrei, denn hornlose Kühe, die mittels Geneditierung entstehen, seien doch identisch mit jenen Lebewesen, die man erzielen würde, wenn man Milchkühe mit natürlicherweise hornlosen Rindern kreuzt.

Die Gentechbranche versucht derzeit, ihre Sicht der Dinge der Regierung von US-Präsident Donald J. Trump darzulegen. Damit will sie erreichen, dass künftig nicht mehr die FDA Aufsichtsbehörde ist, sondern das US-Landwirtschaftsministerium (US Department of Agriculture, USDA). Das USDA hat bereits geneditierte Pflanzen zugelassen und erlaubt deren Pflanzung und Verkauf ohne Regulierung – für transgene Pflanzen gilt das nicht. Die Gentechfirmen wollen nun, dass ihre modifizierten Kühe und Schweine unter das selbe Regime fallen.

Die Argumentation geht ungefähr so: Warum ist es erlaubt, geneditierte Sojabohnen zu verkaufen, die nicht durch eine Batterie an Sicherheitstests mussten, geneditiertes Rindfleisch aber nicht?

Einer der Gründe ist die noch immer enorm anachronistische aufgestellte Nahrungsmittelregulierung in den Vereinigten Staaten. Das USDA hat die explizite Mission, Verbesserungen in der Landwirtschaft voranzutreiben. Dort werden der größte Teil des Fleisches, rohe (also unverarbeitete) Früchte und Gemüsesorten sowie verarbeitete (aber nicht rohe) Eier inspiziert. Die FDA, Teil des US-Gesundheitsministeriums, ist wiederum für Fisch (außer Welsen), Wildfleisch sowie genetisch veränderte Tiere zuständig – warum es ja jetzt geht. Um die Regulierung durchzusetzen, müssen sich die Behörden auf Jahrzehnte alte Gesetze stützen, deren Autoren noch keine Ahnung von moderne Gentechverfahren hatten.

Merkwürdigerweise gibt es auch 40 Jahre nach dem Beginn des Biotechnikzeitalters keine Einigung darüber, wie ein besseres regulatorisches System in den USA aussehen könnte. BIO, eine Lobbyorganisation in Washington, arbeitet derzeit an einem White Paper, das entsprechende Vorschläge unterbreiten soll.

Die Firmen sagen, dass sie wollen, dass jedes Tier nach seinem Risiko für den Menschen betrachtet werden soll – und nicht nach der Herstellungsmethode. "Reguliert das Produkt, nicht den Prozess", heißt hier die Devise. Sie wollen nicht, dass genetische Veränderungen eines Tieres automatisch zur Regulierung führt.

Argumente dafür ließen sich durchaus finden, meinen Beobachter. Einige Milchkühe haben zum Beispiel natürlicherweise keine Hörner und es wäre vermutlich schwer, diese von den veränderten Rindern aus dem Recombinetics-Stall zu unterscheiden. (Aktuell gibt es hiervon nur eine Handvoll, die in einem Forschungslabor leben.)

Recombinetics versucht schon eine ganze Weile, die Regeln für die Geneditierung zu vereinfachen. 2016 wolle die Firma die FDA dazu bewegen, ihre hornlosen Tiere als "GRAS" zu titulieren, also aus Zutaten, die "grundsätzlich als sicher" ("generally recognized as safe") gelten. Dabei wurden Salz, Calcium oder die DNA selbst aufgeführt. Da die veränderten Rinder nur ganz leicht veränderte Kuhgene enthalten, so das Unternehmen, gebe es auch "keine wissenschaftlichen und anderen logischen Gründe" dafür, spezielle Sicherheitsmaßnahmen zu verlangen.

Die FDA entschied anders. Zwei Tage vor dem Ende der Präsidentschaft von Barack Obama gab sie bekannt, dass sie beabsichtigt, Geneditierungen so wie neue Medikamente zu behandeln. Laut der Behörde haben solche Veränderungen die Absicht, die Struktur oder Funktion eines Tieres zu beeinflussen. Daher müssten Geneditierungen – genauso wie jedes andere tiermedizinische Medikament – unter dem FDA-Gesetz von 1938 behandelt werden.

In der Branche wurde diese Entscheidung als "verrückt" tituliert – und natürlich schlecht fürs Geschäft. Recombinetics hofft auf ein Geschäftsmodell, bei dem jeder Bauer mit einem besonders guten Zuchtstier ein paar Hautzellen einsenden kann, um dann ein Jahr später eine geklonte Kopie ohne Hörner zu erhalten – oder mit anderen sinnvollen genetischen Eigenschaften, die sich mittels Geneditierung einfügen lassen.