Facebook-Skandal: EU-Datenschützer fordert schärfere Regulierung der datengetriebenen Wirtschaft

Das Abfischen von Informationen aus 50 Millionen Facebook-Profilen durch Cambridge Analytica könnte sich laut dem EU-Datenschutzbeauftragten Giovanni Buttarelli zum "Jahrhundertskandal" auswachsen. Es müsse übergreifende Untersuchungen geben.

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Facebook-Skandal: EU-Datenschützer fordert schärfere Regulierung der datengetriebenen Wirtschaft

Giovanni Buttarelli

(Bild: EU-Parlament)

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Der EU-Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli hat sich generell für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsbehörden rund um die Privatsphäre sowie Wahlleitern und Medienwächtern ausgesprochen, um gegen Desinformation im Internet und die Manipulation von Nutzern vorzugehen. Das zunehmende Mikro-Targeting von Individuen und Personengruppen mit auf sie zugeschnittenen Inhalten, das auf einer genauen Analyse der persönlichen Daten der Betroffenen beruhe, sei besorgniserregend, schreibt der Italiener in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.

Staatliche Regulierungs- und Kontrollstellen müssten gemeinsam untersuchen, ob politische Kampagnen aus "zentralisierten digitalen Räumen und weithin verfügbaren Daten Kapital schlagen mit dem Ziel, bestehende Gesetze zu umgehen", fordert Buttarelli. Der Einzug von Big-Data-Analysen und Künstlicher Intelligenz in das tägliche Leben der Menschen wirke sich auch immer stärker auf das bürgerliche Engagement, persönliche Entscheidungen und den demokratischen Prozess aus. Es flössen immer mehr Werbegelder, die auf persönlich zugeschnittenen Kampagnen beruhten, in eine kleine Anzahl an Konzernen, die damit das digitale Feld dominierten.

Wasser auf die Mühlen des EU-Kontrolleurs sind die aktuellen Berichte über Cambridge Analytica, das Informationsbestände aus 50 Millionen Facebook-Profilen abgefischt hat. Die Big-Data-Firma soll mithilfe der illegal bezogenen Daten die US-Präsidentschaftswahl, das britische Brexit-Referendum und andere Abstimmungen beeinflusst haben. Dieser Fall könnte sich zu einem "Jahrhundertskandal" entwickeln, befürchtet Buttarelli. Es handle sich dabei wohl nur um die Spitze des Eisbergs angesichts vergleichbarer Vorgänge in der datengetriebenen Wirtschaft. Zugleich würden die Datenschutzbeauftragten in ganz Europa damit auf die Probe gestellt.

Andrea Jelinek, die neue Vorsitzende der Artikel-29-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten, kündigte an, dass der Fall gemeinsam untersucht werde. Ohne volle Transparenz dürften persönliche Daten nicht genutzt und mit Dritten geteilt werden, erklärte sie.

Online-Manipulationen stellten eine große Gefahr für die Gesellschaft dar, weil Filterblasen und eingegrenzte Gemeinschaften es schwerer machten, sich gegenseitig zu verstehen und Erfahrungen auszutauschen, schreibt Buttarelli in seinem Papier. Der soziale Zusammenhalt werde geschwächt, was die Grundrechte aushöhlen könne. Traditionelle Industrien, Konzepte nationaler Rechtsprechung und Souveränität sowie soziale Normen, die auf einer Vielzahl von Stimmen und Kompromissen zwischen Parteien basierten, seien betroffen.

Buttarelli warnt, dass Technik und das vorherrschende Marktverhalten digitaler Größen wie Amazon, Apple, Google, Facebook oder Microsoft zu strukturellen Ungleichheiten und Verwerfungen führten. Die Internetriesen hätten lange Vorteile daraus gezogen, in einem weitgehend unregulierten Raum zu operieren. Es reiche aber nicht aus, sich auf den "guten Willen" nicht zur Rechenschaft zu ziehender wirtschaftlicher Akteure zu verlassen. Da der "teils unverantwortliche, illegale oder unethische Gebrauch persönlicher Informationen" eine der Wurzeln des Systems darstelle, müsse der Datenschutz wohl auch eine größere Rolle bei der Lösung des Problem darstellen.

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(anw)