Terrorbekämpfung: Geheimdienstliche Auskunftsverlangen auf Allzeithoch

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat 2016 im Anti-Terror-Kampf in fast 100 Fällen Informationen bei Telekommunikationsanbietern und Finanzdienstleistern über Nutzer eingeholt und 18 Mal den IMSI-Catcher eingesetzt.

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Terrorbekämpfung: Geheimdienstliche Auskunftsverlangen auf Allzeithoch
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Seine Befugnisse auf Basis des Terrorismusbekämpfungsgesetzes hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 2016 auf rekordverdächtigem Niveau genutzt. Der nun veröffentlichte aktuelle Jahresbericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags zu Auskunftsverlangen der Geheimdienste in diesem Bereich weist insgesamt 114 Überwachungen auf, die alle auf das Konto des BfV gehen. Bisher lag die höchste gemeldete Aktivität im Jahr 2013 mit 113 Datenabfragen und Einsätzen "technischer Mittel zur Ermittlung des Standortes eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes oder der Geräte- oder Kartennummer" mithilfe sogenannter IMSI-Catcher.

Im Einzelnen holte der Inlandsgeheimdienst 2016 bei Anbietern von Telekommunikations- und Telediensten in 67 Fällen kunden- beziehungsweise nutzerbezogene Auskünfte ein, dazu kamen 29 Ersuchen bei Finanzdienstleistern wie Banken. Davon waren insgesamt 274 Personen betroffen; 88 davon waren keine Hauptverdächtige, sondern etwa Kontaktpersonen. Den IMSI-Catcher nutzten die Staatsschützer 18 Mal und richteten sich damit gegen 27 Personen. Gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum 2015 hat sich die Zahl dieser Vorgänge damit um 35 erhöht. Damals waren zusammengerechnet 138 Personen betroffen gegenüber 301 im Folgejahr. Im bisherigen Rekordjahr 2013 lag die Zahl der erfassten Bürger bei 190.

Schwerpunkt der Verfahren war auch 2016 der Bereich Islamismus, nachrangig der geheimdienstliche Sektor. Das BfV rechtfertigt seine Aktivitäten damit, dass etwa "Auskünfte über Begleitumstände der Telekommunikation und die Nutzung von Telediensten wichtige Aufschlüsse über das Umfeld von Personen geben können, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für terroristische oder anderweitig sicherheitsrelevante Bestrebungen vorliegen". Verkehrs- und Nutzungsdaten ermöglichten es etwa, weitere Beteiligte terroristischer Netzwerke zu erkennen und damit zusätzliche Ermittlungen zielgerichtet vorzubereiten.

Verbindungsdaten von Mobilfunkgeräten ermöglichten es, über die Lokalisierung der Funkzelle den Aufenthaltsort ohne Observation nachzuvollziehen und weitere Ermittlungen vorzubereiten, heißt es in dem Bericht weiter. Auch die Bestimmung des Standortes eines genutzten Gerätes im Festnetz und die auf Basis der Verbindungsdaten erstellten Kommunikationsprofile könnten Erkenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen der beobachteten Personen oder Organisationen liefern.

Gesetzlich sind die Behörden eigentlich grundsätzlich verpflichtet, die Betroffenen hinterher aufzuklären. Das kann nur solange unterbleiben, wie Operationen gefährdet oder "der Eintritt übergreifender Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes absehbar ist". 2016 teilten die Geheimdienste 81 Personen mit, dass sie von einer der Überwachungen betroffen waren. Bei 132 Personen sahen sie von einer Mitteilung vorerst oder weiterhin ab. Zu 18 Individuen fiel mit dem Plazet der zuständigen G10-Kommission des Bundestags die Entscheidung, von einer Benachrichtigung endgültig abzusehen.

Für 2016 haben zudem auch die Bundesländer Berichte über Auskunftsverlangen beim PKGr eingereicht. Geheimdienste in Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Thüringen fragten demnach in insgesamt 30 Fällen Daten ab, während die Landesbehörden 2015 auf 18 kamen. Im Dezember hatte das PKGr bereits mitgeteilt, dass die G10-Kommission 2016 den deutschen Geheimdiensten auch deutlich mehr individuelle Überwachungen gestattete, mit denen sie auf Basis des G10-Gesetzes ins Fernmeldegeheimnis eingreifen konnten. (anw)