Kanadisches Gericht beharrt auf weltweiter Google-Zensur

Kanadische Gerichte verpflichten Google dazu, bestimmte Links aus dem Index zu löschen, und zwar weltweit. Die Verfügung widerspricht US-Recht, doch die kanadische Justiz bleibt hart.

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Canada Place

Der Canada Place ist das berühmteste Wahrzeichen Vancouvers.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Google muss weiterhin Links auf Webseiten der Firma Datalink Technologies aus dem Index der Suchmaschine löschen, und zwar weltweit – obwohl diese Zensur gegen US-Recht verstößt. Das hat ein Gericht in Vancouver, der Supreme Court of British Columbia, entschieden. (Equustek Solutions v. Jack, 2018 BCSC 610). Die Entscheidung erstaunt.

Das umstrittene Produkt: Datalink GW1000

(Bild: Datalink Technologies Gateway)

Denn eine frühere Entscheidung des höchsten kanadischen Gerichts, des Supreme Court of Canada, hatte eine gegenteilige Entscheidung erwarten lassen (Google v. Equustek Solutions, 2017 SCC 34). Eigentlich ist Google unbeteiligter Dritter: Datalink Technologies verkauft ein GW1000 genanntes Gerät, das speicherprogrammierbare Steuerungen mit Ethernet-Netzen verbindet. Ein kanadischer Konkurrent beschuldigt Datalink, die notwendige Technik bei ihm abgekupfert zu haben. Er hat Datalink 2011 verklagt.

Außerdem erwirkte der Kläger 2014 eine Entscheidung des Supreme Court of Britisch Columbia, wonach Google weltweit Datalink zensieren muss. Das wurde vom übergeordneten Appeals Court und schließlich im Juni vom Supreme Court of Canada bestätigt. Dieser erlaubte Google aber ausdrücklich, eine Abänderung der Zensurverfügung zu beantragen: "Wenn Google Beweise hat, dass die Befolgung der [kanadischen] Verfügung es dazu zwingt, Gesetze anderer Länder zu brechen, darunter Eingriffe in die Freie Meinungsäußerung, kann sich [Google] an die Gerichte Britisch-Kolumbiens wenden."

Tatsächlich hat ein US-Bundesbezirksgericht in Kalifornien im Herbst rechtskräftig entschieden, dass die kanadische Zensurverfügung gegen die von der US-Verfassung garantierte Redefreiheit sowie gegen das einschlägige Gesetz Communications Decency Act verstößt (Google vs. Equustek Solutions, Northern District of California, 17-cv-04207). Die kanadische Verfügung könne daher in den USA nicht durchgesetzt werden – in Kanada drohen Google aber weiter heftige Strafen, selbst wenn nur die US-Version der Suchmaschine die Datalink-Webseiten anführt. Also stellte Google den vom kanadischen Höchstgericht anheimgestellten Abänderungsantrag – und ist nun abgeblitzt.

"Die US-Entscheidung stellt nicht fest, dass die [kanadische] Verfügung Google dazu zwingt, US-Recht zu brechen", meint der Supreme Court of British Columbia, "Es wird nicht nahegelegt, dass US-Recht Google untersagt, diese Webseiten [aus dem Index zu nehmen]." Zwar schränke die Zensurverfügung Google in seinen Rechten ein, aber jemanden "in seinen Rechten einzuschränken ist nicht dasselbe, wie [ihn] zum Rechtsbruch zu zwingen." Google hatte noch weitere Argumente, denen sich das kanadische Gericht aber nicht widmet, weil das Aufgabe des Richters des Hauptverfahrens sei.

Weltweit gültige Zensurentscheidungen nationaler Gerichte sind vor allem aus zwei Gründen umstritten: Sie stärken die Macht großer Konzerne wie Google und Facebook. Und sie ebnen der Ausdehnung lokaler Zensur auf die ganze Welt den Weg. "Was passiert, wenn ein chinesisches Gericht die Entfernung aller taiwanischen Seiten aus dem Index anordnet?", kommentierte der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist letzten Juni, "Oder wenn ein iranisches Gericht befiehlt, alle schwulen und lesbischen Seiten aus dem Index zu nehmen?"

Die kanadischen Einstweiligen Verfügungen beziehen sich ausschließlich auf die Google-Suchmaschine. Über andere Suchmaschinen sowie soziale Netzwerke lassen sich Datalink und das GW1000 weiterhin leicht finden. Der Verkäufer ist zwar unbekannten Aufenthalts, vertreibt das Gerät aber weiter. Er wurde aus den Gerichtsverfahren ausgeschlossen. Da der Kläger aber inzwischen weitere Personen verklagt hat, wird es doch noch zu einer Verhandlung kommen. An deren Ende soll auch über die weltweite Google-Zensur neu entschieden werden. Bis dahin bleibt Datalink aus dem Google-Index verbannt.

(ds)