Alles wird gut

Jetzt entspann Dich doch mal. Mach Dich locker. Ausatmen - dabei langsam bis vier zählen. Dann wieder einatmen. Alles wird gut.

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Ja, ich weiß, der Klimawandel ist bald nicht mehr aufzuhalten, Roboter werden uns alle arbeitslos machen und die politische Lage spitzt sich immer mehr zu. Und dann hat der Thinktank RAND auch noch eine neue Studie veröffentlicht, nach der der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz das Risiko eines globalen Atomkrieges eher vergrößert als verkleinert.

Die Logik ist ein bisschen verdreht, aber nachvollziehbar: Bislang lebt die atomare Abschreckung von der Angst vor einem globalen Atomkrieg. Jede Atommacht, die mit Atomraketen angegriffen wird, kann immer noch zurückschlagen, bevor sie vernichtet wird - und so alle Welt mit in den Tod reißen. Nun wird KI von den Militärs vor allem für die Auswertung von Satellitenbildern und Drohnen-Videos verwendet. Weil die Algorithmen auch Dinge entdecken, die Menschen gerne mal übersehen, wird der Überblick über die Fähigkeiten potenzieller Feinde immer besser. Weil einzelne Staaten nun befürchten müssten, man könnte ihnen die Fähigkeit zum Zurückschlagen nicht mehr abkaufen, könnten sie in Versuchung geraten, zuerst auf den Knopf zu drücken. Schöne Grüße von Doktor Seltsam.

Das ist beunruhigend, aber wie ich schon sagte: Alles wird gut. An vielen anderen Stellen wird die Welt schon ein Stückchen besser. In Zürich zum Beispiel entsteht ein Stück Zukunft. "Greencity ist das "ambitionierteste Bauprojekt Zürichs" schreibt die NZZ - ein ehemaliges Industriegebiet, das grade für die 2000-Watt-Gesellschaft vorbereitet wird.

2000 Watt ist der energetische Fußabdruck, der fair, nachhaltig und klimagerecht sein soll. Umgerechnet bedeutet das für jeden Bewohner des neuen Viertels nicht mehr als rund 17500 kWh Energie pro Jahr zu verbrauchen. Komplett. Also nicht nur Strom, sonder auch Wärme, Transport und Energieverbrauch für Konsumgüter. "Die Menschen einer hochentwickelten 2000-Watt-Gesellschaft haben erkannt, dass ihre eigene Lebensqualität nicht mehr an einen steigenden, materiellen Lebensstandard gekoppelt ist", schreiben die Macher der 2000-Watt-Iniative der Schweiz.

Man muss einfach nur mal Ballast abwerfen, und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Natürlich gibt es ewig Gestrige, die das Konzept nicht verstehen und mäkeln, wie die Kollegen der NZZ. "Jeder Bewohner hat Zugang zu einer App, auf der er den eigenen Energieverbrauch nachvollziehen kann" schreiben sie. "Da solche technischen Innovationen bis jetzt im Alltag fehlen, könnte man diese App sogar als eine willkommene Einladung verstehen, sein zunehmend schlechtes Gewissen gegenüber dem schönen Planeten einfach damit zu beruhigen, dass man sein Stromverbrauchsverhalten besser kennenlernt. Nur fragt man sich, warum die App in der Greencity auch noch die Zahlen der Nachbarn aufs Handy spielen muss."

Ohne ein bisschen soziale Kontrolle wird das halt nichts mit der Zukunft. Wem das Wohnen in solch einer utopischen Stadt noch immer nicht genug Cocooning ist, der kann bei der Yale University - immerhin eine der führenden Unis der USA - online einen Kurs über das Glücklichsein belegen. Der Kurs ist gratis und beginnt am 30. April. Oder sich nach getaner Bildungsarbeit von dem Schlafroboter in den Schlaf wiegen lassen: Eine Maschine, die ruhig, tief und fest neben Dir im Bett atmet. Sie spricht nicht, sie strampelt nicht, schnarcht nicht und muss auch nicht mitten in der Nacht mal raus. Sie atmet einfach nur. So sieht er aus, der Fortschritt im 21. Jahrhundert. Wenn das nicht beruhigend ist, weiß ich doch auch nicht.

(wst)