Katzenjammer um Erdbebenfrühwarnung

Die Kalifornier lernen, dass ein gutes Erdbebenfrühwarnsystem nicht vom Himmel fällt. Vielleicht hilft die Bio-Variante: Erdbebenvorhersage mit Tieren.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Anton Weste

Die Westküste der USA sitzt auf einem geologischen Pulverfass: Die durch Kalifornien verlaufende San-Andreas-Verwerfung produziert ständig kleinere Beben. Und dass irgendwann ein sehr großes kommt - The Big One - gilt als ausgemacht und ist Teil des kalifornischen Weltbilds. Leider weiß niemand, wann das sein wird.

Seit 2009 plant und bastelt die Region an Shake Alert, einem Erdbebenfrühwarnsystem. Es verharrt jedoch seit Jahren in der Beta-Phase, erst 500 von 1000 geplanten Mess-Stationen sind gebaut. Mexiko, Taiwan und allen voran Japan haben ein solches System längst. An der Westküste der USA sagen einige Wissenschaftler, dass sie ein besonders zuverlässiges Frühwarnsystem errichten wollen: Niemand will für die Kosten aufkommen, wenn aufgrund falschen Alarms das öffentliche Leben stillsteht. Oder sie möchten vielleicht gar nicht fertig werden. Weil man sie möglicherweise anschließend wegen einer nicht erfolgten Erdbebenwarnung verklagt, so wie es italienischen Wissenschaftlern erging.

Tatsächlich ist aber wohl Geld der Grund, dass es nicht so recht vorangeht. Von den für das Projekt veranschlagten 38 Millionen Dollar, sind nur 18 Millionen finanziert. Beispielsweise haben die Staaten Washington und Oregon keine Summe eingeplant, um die Bevölkerung darüber aufzuklären, wie die fertige Erdbebenfrühwarnung funktioniert.

Aber auch bei voller Funktionsfähigkeit hat Shake Alert seine Schwächen. Erdbebenfrühwarnungen basiern auf der Analyse von Primärwellen, die bei Erdbeben wenige Sekunden vor den Schaden verursachenden Sekundärwellen auftreten. Je nach Entfernung vom Epizentrum kann so wenige Sekunden bis eine Minute vor dem Eintreffen schwerer Erdstöße eine dringende Warnung ausgegeben werden. Mit etwas Glück hat man dann noch Zeit, sich unter einen Tisch oder ins Freie zu flüchten. Wer zu nah am Epizentrum wohnt, bekommt die Warnung leider erst nach dem Eintreffen der Sekundärwellen.

Da wäre eine verlässliche Erdbebenvorhersage, die Tage oder Stunden zuvor greift, viel besser. Immer wieder sagt man Katzen, Hunden und anderen Tieren nach, dass sie Erdbeben vorhersehen können und dann ein seltsames Verhalten zeigen. Also lieber ein Erdbebenhund, -schaf oder -huhn für jeden kalifornischen Haushalt? (Katzen lassen wir doch mal lieber außen vor.)

Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam haben sich dieser Frage jetzt angenommen. In einer Analyse untersuchten sie 180 Studien mit 700 Berichten über abnormales tierisches Verhalten, das vor einem Erdbeben aufgetreten sein soll. Die Erkenntnisse sind ernüchternd: Die meisten Berichte sind anekdotisch und unstrukturiert, Beobachtungen über einen längeren Zeitraum existieren kaum. Sichere Aussagen konnten auf dieser Datenbasis nicht gefällt werden. Die Forscher vom GFZ stellten lediglich eine Korrelation zwischen dem Auftreten von Vorbeben und Verhaltensänderungen von Tieren fest. Wenn Hund oder Huhn also komisch wurden, war das weniger eine Vorhersage des Hauptbebens, als vielmehr eine Reaktion auf vorherige kleinere Erschütterungen. Seismographen registrieren letztere bereits, die Tierwelt erzählt den Wissenschaftlern also nichts Neues.

Lassie und andere tierische Begleiter werden Kalifornien voraussichtlich nicht warnen können. Es bleibt die Hoffnung darauf, dass Shake Alert baldmöglichst einsatzbereit ist. Am besten noch vor The Big One.

(anwe)