Autonomes Fahren: Versicherung gegen Daten

Roboterautos sammeln im Betrieb jede Menge Informationen. Um die Fahrzeuge endlich regulär auf die Straße zu bringen, will ein Start-up diese Daten nun freiwillig mit Versicherern teilen.

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Von
  • Jamie Condliffe
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In diesem Moment sind Hunderte autonomer Fahrzeuge auf den Straßen des Planeten unterwegs. Und weil wir immer noch wissen, wie sicher sie wirklich sind, sind sie immer noch rein experimentell. (Teslas berühmter "Autopilot" sollte hier nicht mitgezählt werden, denn er arbeitet noch nicht autonom.) Würden wir sie also einfach so auf die Menschheit loslassen und es käme zu einem Unfall, wüssten wir nicht, wer hierfür die Schuld trägt.

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Die Frage der Haftung ist eine der größeren Probleme rund um autonome Fahrzeuge, besonders wenn sie an die Öffentlichkeit verkauft werden soll. Das Start-up Oxbotica, ein Spinoff der University of Oxford, will das Problem nun angehen – mit dem Sammeln und Weitergeben großer Datenmengen. Die Idee dabei: Autos sollen nicht nur Daten untereinander weitergeben, um besser zu fahren, sondern die Informationen auch mit Dritten teilen, etwa Gemeindebehörden oder – noch wichtiger – Versicherern.

In Rahmen eines Versuchs setzt Oxbotica drei autonome Ford-Fusion-Modelle ein, in denen Stereokameras, Lidarsensoren und die Fahrsoftware der Firma, Silenium, stecken. Die Autos sind in Oxford und der umgebenden Region unterwegs. Alle Fahrzeuge verwenden eine Mobilfunkverbindung, um untereinander zu kommunizieren und Daten an andere Organisationen zu senden, die an dem Projekt beteiligt sind, darunter der Versicherer XL Catlin.

Der Plan, drahtlos Informationen aus Autos zu sammeln, ist nicht neu, doch autonome Fahrzeuge speichern große Mengen an Daten, während sie sich durch die Welt bewegen. Im Fall der Oxbotica-Autos sind das an einem Tag mehrere Terabyte. Entsprechend schwierig ist es, herauszufinden, was man tatsächlich weitergeben sollte, denn schließlich muss alles über die – vergleichsweise schmalbandige – Mobilfunkverbindung.

Außerdem wäre da noch die Frage der Sicherheit, wenn autonome Fahrzeuge am Internet hängen. John Krafcik, Chef der Google-Tochter Waymo, meint, dass Autos nur kurz online gehen sollten – immer dann, wenn sie es brauchen, "damit es keine kontinuierliche Verbindung gibt, die gehackt werden könnte, um ins Fahrzeug zu gelangen".

Aktuell geben die Oxbotica-Vehikel nur grundlegende Informationen wie Geschwindigkeit, Richtung und Rückschlüsse auf ihre Umgebung durch. Paul Newman, Professor in Oxford und Mitbegründer der Firma, meint, dass Autos schon jetzt Hilfe bei der Routenplanung bekommen, indem sie sich gegenseitig mitteilen, ob sich etwas bei der Straßenverhältnissen geändert hat – etwa Baustellen, die kurzfristig auftreten. Dienste wie Waze oder TomTom machen es möglich.

Spannender – und potenziell problematischer – ist da schon das Teilen der Daten mit dritten Parteien. "Wenn diese Autos fahren, ist das Mathematik, es kommen Wahrscheinlichkeiten über Dinge heraus, auf deren Basis Entscheidungen gefällt werden. "Wie sicher ist sich das System über die Position des Fahrzeugs auf der Straße, die Farbe der Ampel und die Geschwindigkeit entgegenkommender Autos?"

Oxbotica gibt einige der gewonnenen Daten an XL Catlin weiter – etwa wie viele geografischen Merkmale das Auto erkennt und wie viele Hinternisse in der Nähe sind. Daraus ergeben sich dann Risikowerte, die sich nutzen ließen, um zu entscheiden, wie sich ein Auto zu verhalten hat.

Newman nennt als hypothetisches Beispiel ein Fahrzeug, das eine große Gruppe von Kindern auf dem Bürgersteig in der Nähe einer Schule mitten am Nachmittag feststellt. Es weiß zwar nicht, dass die Schule gerade endet, erkennt habe, dass es mehr potenzielle Hindernisse gibt. Ein Versicherer könnte diese Daten auswerten und einem Roboterauto dann erlauben, die Straße in geringer Geschwindigkeit zu befahren oder anderweitig auszuweichen.

"Versicherer können der Bereich festlegen, in dem das Auto operieren soll und damit das Risiko kontrollieren." Das Steuersystem habe die Versicherung quasi eingebaut, um das Risiko im Rahmen eines Flottenbetriebs zu kontrollieren.

Oxbotica glaubt, dass enge Beziehungen mit Versicherern dabei helfen könnten, mehr autonome Autos auf die Straße zu lassen. Risikoexperten würden die Parameter vorgeben. So könnte die Technik auch in sicherheitsrelevanten Bereichen, etwa auf einem Flughafen, getestet werden. "Wenn Versicherer bereit sind, Unsicherheiten einzukalkulieren, könnte das die Tests beschleunigen", meint auch Jack Stilgoe, Dozent am University College London, der auf die Regulierung neuer Techniken spezialisiert ist.

Doch das Thema Versicherung ist nur der Einstieg in die Zukunft der Mobilität. Die Versicherer könnten das Potenzial auch ausbremsen. "Die Industrie denkt über solche Sachen nicht nach, das muss die Politik machen." Autonome Autos könnten unsere Transportsysteme und Städte verändern, so Stilgoe.

(bsc)