Bosch stellt einen neuen Ethikkodex vor, der die Probleme der Industrie zeigt

Klartext: Fressen vor Moral

Bei Bosch sollen künftig die neu verfassten Werte des Unternehmens vor dem Kundenwunsch des Autoherstellers stehen. In einem weiteren Satz steht implizit, dass man Gesetze einhalten wolle. Merkt das dort keiner?

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Von
  • Clemens Gleich
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Sie haben es vielleicht gelesen: „Bosch rettet den Diesel!“ Mit weniger Heftig in der Headline und mehr Details hat es Kollege Florian hier beschrieben. Das Interessante fand ich gar nicht, dass Bosch solche Technik liefern kann, denn davon ging ich vorab aus. Es hat nur bisher keine Kunden dafür gegeben. Das könnte die Glaubwürdigkeitskrise des Diesels ändern. Nein, interessanter fand ich die Passage zur als neu kommunizierten „Ethik der Technikentwicklung“.

Darin stehen erstaunliche Dinge. „Leitplanken“ habe man formuliert. Vielleicht hat ständige Missachtung den Begriff „Leitlinie“ diskreditiert. Weiter: „Erstens ist der Einbau von Funktionen, die Testzyklen automatisch erkennen, verboten.“ Schon hier zeigt sich das größte Problem der Dieselkrise: die jeweiligen Selbstverständnisse der komplett verhärteten Blasenfronten. Jede solche Funktion, die auch etwas bewirkt (und wozu sonst wäre sie implementiert?) ist SOWIESO verboten, per Gesetz, übrigens nicht erst seit Winterkorns „weiß von nix“. Das fiel dem Pressemitteilungsschreiber nicht auf, im Gegenteil schien es ihm etwas Neues, Mitzuteilendes.

Die restliche Passage: „Zweitens dürfen Bosch-Produkte nicht für Testsituationen optimiert werden. Drittens sollen Bosch-Produkte im normalen, täglichen Einsatz menschliches Leben bestmöglich schützen und Umwelt sowie Ressourcen bestmöglich schonen. ‚Darüber hinaus sind das Legalitätsprinzip und unser Anspruch ‚Technik fürs Leben‘ Maßstab für unser Handeln. Im Zweifelsfall gehen die Bosch-Werte vor Kundenwunsch‘, erklärte [Bosch-Geschäftsführer Volkmar] Denner.“ Ein Autoschreiberkollege fragte sich dazu auf Facebook: „Wie war das denn dann VORHER?“

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.

Die rhetorische Frage beantwortete ich dort wie hier: Vorher hat sich Bosch am Wunsch des Kunden orientiert, also etwa dem Autohersteller. Kundennachfrageorientierung ist eine der gängigsten Geschäftspraktiken überhaupt. Sie wird erst dann ein Problem, wenn der Kunde Dinge nachfragt, die außerhalb des Legalen liegen. Man will das dann am liebsten gar nicht so genau wissen. Eine Warnung an den Kunden reicht: „Das ist nicht legal! Macht achthundertdrölfzigtausend Euro pro Charge, wenn ihr es trotzdem wollt.“