Wem gehört der Himmel?

Seit April 2017 gibt es für Drohnen zahlreiche Flugverbotszonen. Um sie wirklich einzuhalten, wären elektronisch einprogrammierte Grenzen notwendig. Doch damit tut der Staat sich schwer.

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Von
  • Denis Dilba
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Direkt über Flughäfen und anderthalb Kilometer rundherum waren Drohnen schon vor dem 7. April 2017 strikt tabu. Aber sonst war die Freiheit für die kleinen Fluggeräte tatsächlich noch ziemlich grenzenlos. Bis zu einer Höhe von 2500 Fuß, umgerechnet 762 Meter, konnten sie sich frei am Himmel tummeln. Das war zwar damals schon selten legal, da der Pilot von der Position seiner Drohne aus stets anderthalb Kilometer Sicht nach vorn haben musste, um Kollisionen zu vermeiden, das eigene Fluggerät oftmals aber bereits sehr viel früher hinter Bäumen oder Gebäuden aus dem Blickfeld verschwand.

Doch seit April 2017, seit Inkrafttreten der neuen "Drohnen-Verordnung", soll es mit dem sorglosen Herumfliegen endgültig vorbei sein. Vor dem Hintergrund der rasend schnell wachsenden Drohnenschar – Expertenschätzungen gehen von aktuell deutlich über einer Million in Deutschland aus – sah sich das Verkehrsministerium gezwungen, weitreichende Flugverbotszonen für die kleinen Fluggeräte zu verhängen. Über Polizeistationen, Gerichten, Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen fliegen: seither verboten. Das Gleiche gilt für Industrieanlagen, insbesondere Atomkraftwerke, Gleisanlagen, Autobahnen, Bundesstraßen, Bundeswasserstraßen – jeweils auch 100 Meter seitlich davon. Untersagt ist es ebenfalls, Unfälle und große Menschenansammlungen zu überfliegen, und grundsätzlich darf es nicht höher als 100 Meter gehen.

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Die Überwachung und Durchsetzung dieser Flugverbotszonen ist allerdings ein Lehrstück in Sachen Digitalisierung und Politik. Denn sie findet nicht statt, und daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Noch gibt es nach Auskunft der Deutschen Flugsicherung DFS nicht einmal eine verpflichtende Registrierung von Drohnen vergleichbar mit dem Kfz-Register. Aktuell sind nur feuerfeste Plaketten mit Name und Adresse des Drohnenbesitzers vorgeschrieben. "Ob das auch jeder macht, ist eine andere Frage", so Ralf Heidger, Experte für Unmanned Aircraft Systems (UAS) bei der DFS. Für den Luftraum G, den untersten Luftraum außerhalb von Verbotszonen, "gibt es kein Mandat zur Luftverkehrskontrolle". Jeder Pilot ist also selbst dafür verantwortlich, die geltenden Regeln einzuhalten. "Aber wer weiß schon genau, was Bundeswasserstraßen sind oder wo Grundstücke von Krankenhäusern beginnen", sagt Heidger.

Ohne technische Unterstützung, die hilft zu erkennen, wo Drohnen fliegen dürfen, ist es daher momentan sicherer, seine Drohne nur im Garten senkrecht bis maximal 100 Meter aufsteigen zu lassen. Sofern es sich um den eigenen Garten handelt, denn in Wohngebieten ist der Betrieb von Drohnen auch untersagt. Und solange diese Hürde existiert, wird der Drohnenmarkt nicht abheben. Erst auf verbindlichen Flugverbotszonen aufbauende, neue Services "werden das enorme Potenzial der Drohnen wirklich nutzbar machen", sagt Wolfgang Koch, Leiter der Abteilung Sensordaten- und Informationsfusion am Fraunhofer FKIE. Der Wissenschaftler, der Sicherheitsbehörden in Drohnenfragen berät, erwartet daher, dass sich "dieses Feld rasant zu einem florierenden Markt entwickelt".

Die Flugsicherung hat das erkannt und bietet daher eine eigene DFS-Drohnen-App an. Damit kann der Drohnenpilot prüfen, ob und, wenn ja, wo er starten, wie hoch er fliegen und in welchem Radius sich die Drohne bewegen darf. Die Drohnen-App greift jedoch nicht in die Steuerung der Drohne ein. Sie liefert nur Informationen. Leider sind diese Informationen zurzeit nicht einmal vollständig: Die DFS-App beinhaltet nicht alle Flugverbotszonen. Denn zum einen sind nicht alle amtlichen Grundstücksdaten aus den Katastern auf dem neuesten Stand. Zum anderen gibt es auch nichtamtliche Daten, etwa von Städten, die eigene Flugverbotszonen festlegen, beispielsweise für Parks und Gärten oder zeitlich begrenzte Veranstaltungen und Hindernisse.

"Allein schon wegen der Reproduzierbarkeit müssen wir amtliche Daten verwenden, die von Landesvermessungsämtern qualitätsgesichert erfasst worden sind", sagt Heidger. In diese Lücke stoßen Start-ups wie FlyNex aus Hamburg. Die Firma nutzt auch Daten aus nichtamtlichen Quellen. Damit will sie nicht nur eine interaktive Karte mit den Flugverbotszonen für Drohnen anbieten, sondern darauf aufbauend auch bald einen Service zur kompletten Einsatzplanung und zum Betrieb von Drohnen in Unternehmen. Ähnliches offeriert der chinesische Drohnenhersteller DJI, sogar schon fest eingebaut. Seine Modelle, darunter die derzeit sehr beliebte Phantom, besitzen seit 2015 ein Geofencing-System. "Die Drohne weiß, wo sie fliegen darf und wo nicht", sagt Koch. Auf Flughäfen beispielsweise startet die Phantom erst gar nicht. Doch Verlass ist auf diese Informationen nicht. FlyNex etwa weist darauf hin, dass sie "trotz implementierter offizieller Geodaten und Daten von Flugsicherungsinstitutionen nicht rechtsgültig bindend" sind. DJI bezeichnet sein Geosystem explizit als "herstellerseitige Empfehlung".

Professionelle Nutzer sehen die privaten Dienste allerdings noch aus einem anderen Grund kritisch. Sie fürchten, die Hoheit über sensible Flugdaten zu verlieren. Eine aktuelle Kontroverse um das DJI-System zeigt das exemplarisch. Die Daten über Flugverbotszonen bezieht der Hersteller von dem US-Unternehmen AirMap aus Santa Monica. AirMap wiederum arbeitet nach eigenen Angaben "mit Luftfahrtbehörden und zahlreichen Behörden oder Regierungsstellen zusammen". Das Unternehmen "organisiert die Bereitstellung von Luftrauminformationen und Geoinformationen auf der ganzen Welt".

Außerhalb von strikten No-Fly-Zones wie etwa Flughäfen kann der Nutzer die Flugbeschränkung "auf Anfrage" deaktivieren lassen. Das funktioniert aber nur mit einem verifizierten DJI-Account. Der chinesische Hersteller ist also bestens darüber informiert, wer wann in potenziell sensiblen Bereichen fliegen will. Besonders bei professionellen Kunden erregte diese Datensammlung Unmut – zusammen mit dem Gerücht, DJI könne bei einem Update der Flugverbotszonen auch auf Telemetriedaten der Drohne zugreifen. Über die zugrunde liegende Software ist zwar nur wenig bekannt, Experten gehen jedoch davon aus, dass sie auch einen Zugriff auf Flugdaten, Mikrofon und Kamera erlaubt.

Vermutlich wegen derartiger "Cyberschwachstellen" verbot die U.S. Army im August 2017 die Verwendung aller DJI-Produkte. DJI sah sich deshalb gezwungen, im Oktober 2017 einen "Local Data Mode" ohne Flugrestriktionen und Datenaustausch mit dem Hersteller einzuführen.

Auch für Flugsicherheitsexperten ist diese Lösung unbefriedigend. Insgesamt bleibe die Deaktivierung von Geofencing zu einfach, meint Ingo Seebach, Geschäftsführer und Mitgründer des deutsch-amerikanischen Drohnen-Tracking-Unternehmens Dedrone. "Es ist nicht im Sinne eines Drohnenherstellers, das eigene Produkt zu limitieren, sofern für ihn keine gesetzlichen Auflagen bestehen." Er würde nicht darauf hoffen, dass Hersteller aus dem Ausland langfristig dafür sorgen, dass unsere Flugverbotszonen eingehalten werden.

Fraunhofer-Mann Koch sieht daher den Gesetzgeber gefragt: "Das ist eine Frage der Regulierung, wie Zulassungsbedingungen für ein Auto." Technisch wäre es kein Problem, in alle Drohnen in Deutschland automatisch alle Flugverbotszonen per Geofencing einzuprogrammieren. GPS hätten die Fluggeräte in der Regel ohnehin, der Rest sei Software, sagt der Forscher. "Es muss nur jemanden geben, der so etwas auch haben will."

Die verifizierten Informationen könnten aus einer Datenbank für Flugverbotszonen kommen. "Daran arbeiten wir gerade zusammen mit der Telekom und erproben auch einen Prototyp", sagt DFS-Mann Heidger. In so einer Datenbank könnten in Zukunft auch temporäre Flugverbotszonen, etwa von der Polizei, landen und direkt an die Drohnen in Deutschland ausgespielt werden. Aus Erfahrung weiß DFS-Experte Heidger allerdings: Der Weg dorthin ist in Deutschland lang.

(bsc)