Randerscheinung

Neue Erkenntnisse könnten Katalysatoren verbessern

CO aus dem Abgas kann sich über einen ganzen katalytisch wirksamen Palladium-Partikel ausbreiten. Das Phänomen beginnt aber viel später als vermutet und geht immer vom Rand aus. Offenbar wirkt das Trägermaterial des Partikels entscheidend mit. Ein Schlüssel für künftige effizientere Beschichtungen?

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Von
  • Florian Pillau

Kohlenmonoxid aus dem Abgas kann sich über einen ganzen katalytisch wirksamen Palladium-Partikel ausbreiten. Das Phänomen beginnt aber viel später als vermutet und geht immer vom Rand aus. Diese Beobachtungen brachten Forscher des Instituts für Materialchemie der TU Wien darauf, dass das Trägermaterial des Partikels entscheidend auf die chemische Reaktion einwirkt. Publiziert haben die Wissanschaftler ihre Erkenntnisse jetzt im Fachjournal Nature Materials. Möglicherweise sind sie ein Schlüssel für künftige effizientere Beschichtungen.

Im Abgaskatalysator wird mithilfe von Edelmetallen giftiges Kohlenmonoxid (CO) in Kohlendioxid (CO2) umgewandelt. Die katalytisch wirksamen Stoffe sind meist Palladium- oder Platinpartikel in der Größenordnung bis zu 200 Mikrometern Durchmesser. Sie werden von einer Trägerschicht aus Zirkon- oder Magnesiumoxid festgehalten.

Solange die Oberfläche der Partikel mit Sauerstoffatomen bedeckt ist, können CO-Moleküle mit ihnen reagieren. Aus den CO-Molekülen wird ungiftiges CO2. Der Schicht werden dabei laufend Sauerstoffatomen entrissen, die von neuen Sauerstoff-Atomen aus dem Rohabgas nachbesetzt werden. Ein Fließgleichgewicht stellt sich ein, der Katalysator arbeitet bestimmungsgemäß.

Wird diese Balance gestört, besetzen zunehmend CO- statt Sauerstoff-Moleküle die entstehenden Lücken. Das kann – etwa bei zu hoher CO-Konzentration im Abgas – so weit führen, dass der Edelmetall-Partikel schließlich nicht mehr von einer Schicht aus Sauerstoffatomen, sondern einer aus CO-Atomen bedeckt ist. Am Katalysator kann dann kein CO2 mehr gebildet werden.

Woher kommt der starke Einfluss des Substrats?

„Sitzen die Partikel auf einer Oberfläche aus Zirkoniumoxid oder Magnesiumoxid, dann kommt es erst bei viel höheren Kohlenmonoxid-Konzentrationen zum Erliegen der Katalyse“, sagt Prof. Yuri Suchorski, Erstautor der Studie am Institut für Materialchemie der TU Wien. Das ist erstaunlich, denn normalerweise haben Atome in der Chemie nur Einfluss auf ihre unmittelbare Nachbarschaft. Die chemischen Vorgänge auf den Palladium-Partikeln in Abgaskatalysatoren ändern sich jedoch stark mit verschiedenen Trägermaterialien, selbst wenn diese in der Reaktion fast gar keine Rolle spielen.

Bei der Größe der Palladium-Partikel sollte das Trägermaterial (Substrat) allerdings keinen erkennbaren Effekt haben. Die Kontaktfläche zwischen Palladium-Partikel und Untergrund ist nur wenige Zehntel Nanometer dick und damit viel zu unbedeutend für eine so ausgedehnte chemische Reaktion. Immerhin sind die Palladium-Partikel rund hunderttausendmal größer.

Als die Forscher den Verlauf der katalytischen Reaktion in Echtzeit durch ein Photoemissionselektronenmikroskop sichtbar machten, konnten sie deutlich erkennen, dass die Kohlenmonoxid-Überflutung immer am Rand des Partikels beginnt – und zwar dort, wo es Kontakt mit dem Substrat hat.

Die Sauerstoffatome sind dort von weniger ihresgleichen umgeben. Entrissene Atome können dort nicht so einfach durch andere ersetzt werden, denn Sauerstoffatome kommen nur zu zweit, als O2-Moleküle vor. Sie brauchen daher zwei nebeneinander liegende freie Plätze um eine freigewordene Lücke füllen zu können. Die freien Stellen werden daher häufiger von CO-Molekülen besetzt. Der Prozess müsste aber viel früher einsetzen, als er es tatsächlich tut. Offenbar gibt es genau an dieser Stelle eine Wechselwirkung zwischen Substrat und Katalysator.

„Berechnungen unserer Kooperationspartner von der Universität Barcelona zeigen, dass die Bindung zwischen den Metallatomen des Partikels und der Sauerstoffschicht verstärkt ist“, sagt Prof. Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Die Palladium-Atome in direktem Kontakt mit dem Trägeroxid können den Sauerstoff also besser festhalten und dadurch den gesamten mikrometergroßen Katalysator vor einer Überflutung mit Kohlenmonoxid schützen. Rupprechter sieht darin eine Chance, Katalysatoren durch eine gezielt eingesetzte Wechselwirkung zwischen den eingesetzten Materialien an dieser Stelle zu verbessern.

Originalpublikation: Surchorski et al., The role of metal/oxide interfaces for long-range metal particle activation during CO oxidation, Nature Materials, 2018, DOI: 10.1038/s41563-018-0080-y (fpi)