Amazon prüft Jobausbau in Seattle nach Beschluss von Obdachlosen-Steuer

Die Obdachlosen-Steuer in Seattle ist beschlossene Sache, fällt aber nur mehr als halb so hoch aus, wie ursprünglich erwartet. Dem Online-Händler Amazon reicht das aber nicht, und er erwägt, keine weiteren Stellen mehr am Standort Seattle zu schaffen.

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Amazon prüft Jobausbau in Seattle nach Beschluss von Obdachlosen-Steuer

Amazon Campus in Seattle

(Bild: Amazon)

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Der Stadtrat in Seattle hat am Montag einstimmig die heftig diskutierte Obdachlosen-Steuer beschlossen, die für große Unternehmen pro Mitarbeiter gezahlt werden soll, um bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu finanzieren. Das berichtet die Seattle Times. Die Steuer fiele mit 275 US-Dollar pro Mitarbeiter von ortsansässigen Firmen mit mehr als 20 Millionen US-Dollar Brutto-Jahreseinkommen niedriger aus, als die zunächst angestrebten mehr als 500 US-Dollar Kopfsteuer. Die Bürgermeisterin Jenny Durkan hätte mit einem Veto gedroht, um den niedrigeren Steuerbetrag durchzusetzen. Der Stadtrat erwarte nun Einnahmen in einer Höhe von 470 Millionen US-Dollar jährlich. Amazon will prüfen, ob angesichts dieser zusätzlichen Steuerlast weitere Jobs in Seattle geschaffen werden.

Der Online-Händler, dessen Hauptsitz sich in Seattle befindet und als Arbeitgeber von etwa 45.000 Mitarbeitern einen hohen jährlichen Millionenbetrag zu zahlen hätte, gibt sich nach Angaben der Seattle Times angesichts der Entscheidung weiterhin verschnupft. Amazon-Sprecher Drew Herdener sagte demnach: "Wir sind über die Entscheidung des Stadtrates, eine Steuer auf Arbeitsplätze zu erheben, enttäuscht."

Amazon hatte im Vorfeld der Abstimmung des Stadtrates über die Obdachlosen-Steuer vehement gegen deren Einführung gekämpft und zwei Bauprojekte von Büros unter anderem für rund 7000 neue Mitarbeiter auf Eis gelegt und sich nach möglichen Ausweichstandorten mit geringerer Steuerbelastung umgesehen. Einzelne Stadtratsmitglieder hatten dies als Erpressung angesehen.

Herdener gab dem Zeitungsbericht nach bekannt, dass die Pläne zum Bau der Büroräume des Block 18 wieder aufgenommen werden. Das zweite Bauvorhaben bleibe aber weiterhin gestoppt. Der Unternehmenssprecher sagte in diesem Zusammenhang: "Wir sind nach wie vor sehr besorgt über die Zukunft, die durch die feindselige Haltung und Rhetorik des Stadtrates gegenüber größeren Unternehmen geschaffen wurde und die uns dazu zwingt, unser Wachstum hier in Frage zu stellen."

Amazon sucht derzeit ohnehin nach einem Standort für einen zweites Hauptquartier in Nordamerika. Das Unternehmen hatte dazu einen Wettbewerb angefacht, bei dem sich Städte gegenseitig unterboten haben, um möglichst gute steuerliche Anreize für eine Ansiedlung Amazons zu schaffen. Rund 20 Städte sind derzeit dafür noch im Rennen.

Die Auswirkungen der Obdachlosen-Steuer in Seattle sind umstritten: Die Bürgermeisterin und der Stadtrat sehen die Steuer als wichtiges Instrument an, um angesichts explodierender Mieten durch den Zuzug gut verdienender Mitarbeiter großer Unternehmen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die steigende Zahl von mehr als 11.600 Obdachlosen in Seattle zu bekämpfen. Ortsansässige Firmen und eine von der Handelskammer Seattle in Auftrag gegebene Studie halten dagegen die negativen Auswirkungen unter anderem durch den Kaufkraftverlust, der durch das Ausbleiben neuer Arbeitsplätze entsteht und auch weitere Unternehmen und Jobs gefährden könnte, für deutlich problematischer. (olb)