Post aus Japan: Der imitierte Quantencomputer

Nippons Technikriesen sind sehr stark beim Bau von Großrechnern. Einer will Rechner drastisch beschleunigen, indem er spezielle physikalische Effekte kopiert.

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Von
  • Martin Kölling

Fujitsu zeigt auf seiner Hausmesse in Tokio gerne, was der Konzern technisch zu bieten hat. Der Star dieses Jahres war ein Dienst, der ein reichlich esoterisches Gut versilbern will: Fujitsu startet einen kommerziellen Cloud-Service für seinen "digitalen Annealer", der bestimmte Rechenoperation so schnell wie ein Quantencomputer ausführen kann, ohne wirklich ein Quantencomputer zu sein. "Aber er benutzt ähnliche Effekte", sagt Joseph Reger, der Cheftechnologe von Fujitsu Technology Solutions.

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Das Gerät soll eine Anwendung, die kombinatorische Optimierung, mindestens 10000 Mal schneller lösen als herkömmliche Computer. Doch nicht nur das hohe Tempo des Produkts erfreut Reger, der seine Karriere als theoretischer Physiker begann. "Ich habe nicht geglaubt, mein Fachwissen jemals anwenden zu können", erzählt er in kleiner Runde. Aber nun sei es doch soweit gekommen.

Der Grund ist die Jagd nach immer höherer Rechenleistung. Grob gesagt verdoppelt sich alle zwei Jahre die Leistung der Rechner. Aber diese Steigerung ist nicht genug, um künstliche Intelligenz rasant weiterzuentwickeln, erklärt Reger. Das Problem nur ist, dass die Verkleinerung der Schaltkreise langsam an ihre Grenzen zu stoßen scheint. Inzwischen schrumpfen die Strukturen so weit, dass es sogar schon zu Quanteneffekten komme, meint Reger. Doch die große Hoffnung aller sei weiterhin ein richtiger Quantencomputer.

Diese Geräte rechnen nicht nach den Gesetzen der klassischen Physik, sondern mit quantenmechanischen Zuständen. Damit kann das Gerät einige Aufgaben exponentiell schneller lösen als traditionelle Rechner. Besonders Verschlüsselungssysteme liefen Gefahr, durch diese Maschinen geknackt zu werden, warnt Reger. Nur taugen die bisherigen Modelle noch nicht für den kommerziellen Einsatz.

Ein Problem ist, dass Quantencomputer fast auf den Gefrierpunkt abgekühlt werden müssen. Sonst verlieren die kleinsten Teilchen leicht ihre Quantenzustände. Fujitsu, traditionell einer der führenden Hersteller von Supercomputern, hat nun eine Struktur entwickelt, die Quantenannealer mit traditioneller Technik bei Raumtemperatur imitiert.

Die Anwendung sei zwar nur auf eine Untergruppe von Problemen beschränkt, aber immerhin sei es eine sehr große, meint Reger. Man wundere sich, wie viele Sachverhalte als Frage der Optimierung dargestellt werden könnten. Ein deutscher Autobauer beispielsweise nutze die Technik, um die Bewegung von Schweißrobotern zu optimieren. Aber auch die Analyse und Vorhersage von hochkomplexen Verkehrsströmen oder die Gestaltung von Investmentportfolios schlägt Fujitsu als Anwendungen vor.

Doch das Verkaufsziel macht auch klar, dass mittelfristig auch diese Beschleunigung des Computers keine Revolution darstellt. In den kommenden fünf Jahren will der Konzern mit seinem neuen Clouddienst gerade einmal 100 Milliarden Yen (775 Millionen Euro) Umsatz erzielen.

Wann die Computer wirklich dem menschlichen Hirn in allgemeinen Anwendungen überlegen sein werden, wagt auch Reger nicht vorherzusagen. Nur eines steht für ihn fest: Sie wird mit Hochdruck weiterentwickelt werden. "Der Nutzen für Unternehmen ist so dramatisch, dass niemand künstliche Intelligenz ignorieren kann", sagt Reger.

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