Die erkaltende Liebe zum Oldtimer

Klartext: Old Love

Die Oldtimerliebe boome, sagte man, genauso wie man sagte: "Die jungen Leute interessieren sich wieder mehr fürs Motorrad." Beide Entwicklungen entpuppen sich leider als beim näheren Hinschauen als Wunschträume

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Mercedes W123 9 Bilder

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Die Oldtimer-Szene hat in den letzten Jahren viel Zulauf erhalten, erzählte man mir. Es schien einleuchtend, denn komplementäre Trends unterstützten ihn. Das Do-it-yourself-Revival. Die rückwärtsgewandte Hipster-Szene. Pur. Handgemacht. Alt. Alles wichtig gewesen. Es gab aber auch gegensätzliche Entwicklungen. Umweltschützer haben sich zum Beispiel nie besonders gefreut über die Oldtimer-Szene. Vielleicht wussten sie, sicher ahnten sie: Oldtimer-Besitzer fahren eher selten dieses eine Auto auf, für das daher viel später ein neues produziert werden muss. Viel eher haben sie viele Autos, praktizieren den Oldtimer als Luxus-Leidenschaft, wie einen Haushund oder ein Reitpferd. Im Strömungsgemenge der Einflüsse scheint der Stern des Oldtimers zu sinken. Ich kann es ein bisschen verstehen.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat beim Institut für Demoskopie Allensbach eine Studie zur Akzeptanz von Oldtimern beauftragt, mal wieder. Seit 2011 ist der VDA dabei, das Institut fragt zu diesem Thema seit 2008 um. Seitdem sinkt das Interesse an Oldtimern kontinuierlich; wahrscheinlich begann die Entwicklung schon vorher. Die These des Oldtimer-Booms, die auch ich glaubte, scheint genauso eine „gefühlte Wahrheit“ ohne Datenfundament zu sein wie die These, dass zur Retro-Welle wieder mehr junge Menschen zum Motorrad kamen (falsch).

Oldtimer und ihre Spekulanten

In den erhobenen Daten geht die Beliebtheit des Oldtimers zurück. Das Institut vermutet (wie ich es auch würde), dass die Abgasdebatte die Volkswahrnehmung sicherlich für Umweltaspekte sensibilisiert hat. Dazu kommt die Preisentwicklung alter Autos. Alte Autos auffahren bleibt immer nur so lange wirtschaftlich, bis genügend Leute dein Modell als Spekulations-Sammel-Objekt sehen. Das ist zwar absurd, weil niemand außer Händlern Geld mit Oldtimern verdient, aber wie beim Analogon Whisky in der Abstrusität irgendwie nachvollziehbar: „Da hab ich 10.000 Euro dafür ausgegeben! Nur 30 Jahre später ist er 20.000 wert, und ich habe nur 30.000 reingesteckt!“ Es legitimiert deine Lusttat in Zahlen.

Diese Emotionen sind schwer vorhersehbar, weil sie auch vorher zutiefst gehassten Fahrzeugen zuteil werden. Eine BMW K 100 kannst du bis heute nicht im Kreise nüchterner Menschen als „schön“ bezeichnen, ohne dass dein Umkreis einen Gehirntumor vermutet. Das bewahrt die K nicht vor Sammlern. Nicht einmal Masse schützt: Finden Sie nur einmal einen brauchbaren 123, Mercedes‘ bis heute meistgebautes Modell. Freunde des Bullis wissen das schon länger. Die Studie weist allerdings auch zu Recht darauf hin, dass abseits der ausgetretenen Pfade durchaus noch bessere Preise existieren, natürlich bei Autos, die immer noch als doof gelten, bis sie plötzlich in den Köpfen langsam zu „och, doch toll!“ umschnappen.