Experten: KI-Systeme sollen patentierbar sein

Künstliche Intelligenz patentieren? Kein Problem, meinen Experten bei einer eintägigen KI-Konferenz des Europäischen Patentamts. Es gibt aber auch Einwände.

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Patentexperten: KI-Systeme sollen patentierbar sein
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Das Europäische Patentamt (EPA) sieht sich mit Computer-implementierten Erfindungen (CII) gut gerüstet, um auch Patente für Künstliche Intelligenz (KI) zu erteilen. Im kommenden November werde man Patentanmeldern und Prüfern entsprechende Hilfestellungen im vierten Update zur einschlägigen CII-Richtline geben, teilten die Beamten bei einer Konferenz zum Thema "Patenting Artificial Intelligence" am Mittwoch in München mit. Dabei wurde von einzelnen Teilnehmern auch gefordert, die Nicht-Patentierbarkeit von Algorithmen gänzlich abzuschaffen.

Selbst für einzelne Gene, oder wenigstens deren Isolierung, kann heute eine Patent erteilt werden, wetterte Benjamin Bai, Vizepräsident und Chef von Ant Financial Services, dem Finanzunternehmen der Alibaba Gruppe. Die rechtlichen Hindernisse gegen die Patentierung von Algorithmen seien unverständlich und überholt.

Bai verwies auf die Ankündigung des neuen Chefs des US-Patentamts, dass KI "als solche" patentierbar sein solle. Sein Unternehmen, das komplett KI-getrieben sei, arbeite in China daran, dass die Patentgesetze entsprechend geändert werden. "Wenn jemand es schafft, dass eine Maschine einen Hund nach einem statt nach 300 Bildern als Hund erkennt, verdient er ein Patent – oder sogar mehr."

Das Patentsystem müsse darauf vorbereitet werden, dass die Technologieentwicklung mehr und mehr in Software und eben nicht in Hardware passiere, sagte EPA-Chefökonom Yann Ménière. KI gilt den Patentjuristen als "Super Software". Beim EPA sieht man aktuell wenig Schwierigkeiten für die Patentierung von KI-Systemen. Die Hürde "Technizität" lasse sich durch die Einführung der verarbeiteten Daten und damit der konkreten Anwendung überspringen, meinte Koen Lievens, Operational Director beim EPA. Anerkannt werde übrigens, wenn "statt einer Methode einfach eine Rechner-implementierte Methode" beantragt werde, so Lievens.

"Das aktuelle System der Softwarepatentierung bietet Möglichkeiten, auf die wir aufbauen können, ohne dass gesetzliche Änderungen notwendig sind", schlussfolgerte Grant Philpott, COO beim EPA. Er kündigte an, dass man sich demnächst auch mit den Patentierungsmöglichkeiten von Blockchain-Anwendungen beschäftigen und dazu im November zu einer eigenen Konferenz einladen werde.

Ein paar vorsichtig geäußerte Bedenken gegen die Euphorie bezüglich von KI-Patenten gab es dann aber doch. Keith Bergelt vom Open Innovation Network sagte, nur mit Urheberrechten allein seien KI- und Softwareentwicklungen nicht zu schützen. Er erinnerte die anwesenden Patentexperten daran, dass es dagegen durchaus Widerstand gebe.

Übrigens werde in der Praxis ohnehin nicht mehr in Silos entwickelt, sondern kollaborativ und manche Branche, wie die Autobranche, flüchte sich geradezu in die Open-Source-Entwickung. "Eine Überlebensstrategie" nannte Bergelt das. Er warnte angesichts der Rufe nach der Patentierung von Algorithmen davor, die Kontrolle zu weit in den Stack nach unten zu verschieben.

Die Markteffekte, die die Patentierung von Algorithmen bringen würden, wären so mächtig, dass darüber eine breite politische Debatte notwendig wäre, sagten einige Experten.

Matthias Schneider, Informatiker und Lizenzchef bei Audi, fürchtet, dass die Patentierung von KI-Systemen auch dazu führen könne, schier unbegrenzte Patentlaufzeiten zu schaffen. "Erst patentiert man das KI-System und dann die damit entwickelten Produkte", so Schneider.

Erste Erfahrungen mit Erfindungen, die von einem KI-System entwickelt wurde, hat man bei Audi bereits gemacht, berichtete Schneider. Ein in einem neuralen Netz laufendes Expertensystem habe etwa eine Metalllegierung vorgeschlagen, auf die keiner der Entwickler gekommen sei. "Sie ist leichter, sie ist stabiler, sie funktioniert. Aber wir wissen nicht, wie das KI-System dazu kam." Er persönlich, so Schneider, könne sich vorstellen, dass man die entsprechende KI nur als Geschäftsgeheimnis behält, und die Neuentwicklung durch Designrechte absichert.

Ohnehin verkomplizierten die "Maschinen-Erfindungen" die im Patentsystem notwendigen Schritte von der Offenlegung über die Durchsetzung bis hin zur Frage, wer eigentlich noch als Erfinder vergütet werden soll. "Sollen wir der Maschine ein goldenes Netzkabel verleihen?" (olb)