Was halt so über reaktionären Texten steht

Klartext: "Klartext"

Wenn irgendwo "Klartext" drübersteht, weiß man doch schon, was da drinsteht: reaktionärer Mist. Das war schon so, als die Rubrik getauft wurde. Es blieb auch so, weil der Marker unerwartete positive Effekte zeigte

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

„Wenn irgendwo ‚Klartext‘ drübersteht, kann man dieser Tage davon ausgehen, dass jetzt ein Arschloch schreibt“, las ich die Tage in einem Stream zu irgendeiner konservativen Kolumne in einer Zeitung. Das würde ich unterschreiben. Mehr noch: Das ist nicht einmal neu. Das war damals schon so, als der frühere Chefredakteur von heise/Autos diese Spalte so nannte. Ich war zu Anfang gegen den Namen, weil zu diesem Zeitpunkt bereits galt: Wo „Klartext“ draufsteht, ist Arsch drin. Das Wort außerhalb seiner Erstbedeutung aus der Codierung dient heute als Kennung für die meisten publizierten reaktionären Kommentare, die ihm diese Verbindung damit weiter sichern.

Es soll knirschen

Zwischenzeitlich gab es mehrfach Gelegenheit, den Rubrikennamen zu ändern. Aber niemand wollte das, auch ich nicht. Denn mit steigender Klartextezahl bemerkte ich, dass dieser Marker sehr gut zu seinem Zweck taugt, der da heißt: Die Texte sollen Diskussionen anstoßen. Deshalb sind sie anstößig. Das knirscht dem Einen oder Anderen von Ihnen gelegentlich wie Alu zwischen den Zähnen. Ich weiß. Das soll so. Denn Sie sollen das Alu nicht einfach schlucken, sondern Sie sollen es ausspucken, anschauen und sich im besten Fall am öffentlichen Diskurs über Aluminium, Zahnzwischenräume und das Kauen an sich beteiligen.

Dazu hilft es tatsächlich ein bisschen, wenn „Klartext“ mit all seinen negativen Konnotationen darüber steht. Es impft: „Vorsicht, jetzt kommt Döner mit Alufolie!“ Ein generelles Verschlingen mit „Ja, find ich auch“ geht an unserem Ziel für diese Spalte vorbei. Keins der Klartextthemen muss man so mit dem Holzhammer stanzen. Aber wenn man es nicht täte, reichte die simple Kurzmeldung der Fakten. Die Kommentarspalte überall sollte man als die professionalisierte Form des Trollens sehen: Sie will immer eine Diskussion.

… und immer an das Fusselsieb denken!

Die Vorstellung, dass wir schreiben, was uns selber interessiert, ist nicht ganz falsch, aber ziemlich falsch. Mein Kopf ist wie das Flusensieb aus dem Familientrockner: viel drin, aber hauptsächlich bunter, fluffiger Müll. Und mein Gehirn ist wie andere Gehirne dieser Bauart. Primaten interessieren sich primär für Körperöffnungen und was man da hineintun kann, und dazu gibt es andere Formate – von Tim Mälzer oder PornHub.

Nein, wir schreiben natürlich das, was Leser zur Mobilität interessiert, mit allem Raten, das diese Vorgehensweise bedingt. Beispiel die Oldtimer: Ich mag alte Autos, wie die meisten Menschen. Aber wie ebenfalls die meisten Menschen würde ich es nicht bemerken, wenn morgen keine mehr auf der Straße fahren würden. Es passiert schlicht zu viel Interessanteres für Nichthobbyisten. Trotzdem glaube ich, dass ein eventuelles Umschwingen der Gesellschaft in Richtung weniger Liebe der Oldie-Ausfahrten – aus welchen Gründen auch immer – ein spannendes Thema ist. Da können potenziell viele Autoleute was zu sagen.