DSGVO: Innenminister Seehofer drängt auf rasche Lösung des Abmahnproblems

Bundesinnenminister Horst Seehofer wolle das hiesige Abmahnunwesen "deutlich minimieren und zurückfahren", hieß es in einer aktuellen Stunde im Bundestag.

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DSGVO: Innenminister Seehofer drängt auf rasche Lösung des Abmahnproblems

Das Plenum des Bundestags während der aktuellen Stunde zur DSGVO.

(Bild: bundestag.de)

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Sämtliche Befürchtungen rund um die jüngst wirksam gewordene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) "sind grundsätzlich ernst zu nehmen", betonte Stephan Mayer, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, am Donnerstag in einer aktuellen Stunde im Bundestag. Horrorszenarien seien aber "zum allergrößten Teil unberechtigt". Die deutsche Wirtschaft sei an der Harmonisierung interessiert, da damit jetzt EU-weit ein gleiches Spielfeld bestehe. Insgesamt sei Deutschland nach einem zweijährigem Übergangszeitraum "sehr gut vorbereitet" auf die DSGVO.

Trotzdem besteht laut dem CSU-Politiker Handlungsbedarf, um das "Abmahnunwesen" etwa wegen einer fehlenden oder fehlerhaften Datenschutzerklärung generell "deutlich zu minimieren und zurückzufahren". Innenminister Horst Seehofer (CSU) habe daher bereits seine Kollegin im Justizressort, Katarina Barley (SPD), gebeten, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schnell zu novellieren. Bei Bußgeldern gebe es dagegen "keinen Abweichungs- und Interpretationsspielraum". Seehofer habe aber auch hier die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern per Brief ermuntert, nicht "überbordend" einzugreifen und die Vorgaben bürgerfreundlich umzusetzen.

Der CDU-Politiker Patrick Sensburg lobte die DSGVO an sich als "guten Rechtsakt", mahnte aber ebenfalls rasche Lösungen gegen "professionelle Abmahner" an. Rechtsexperten der CDU/CSU-Fraktion erarbeiteten hier gerade einen Vorschlag. Zusätzlich sollte eine Regel geschaffen werden, wonach ein "Erstverstoß" gegen die Vorschriften bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie ehrenamtlichen Vereinen bußgeldfrei bleibe. Ferner müssten die Ministerien eine Informationskampagne initiieren. Sein Fraktionskollege Volker Ullrich (CSU) brachte weitere Überlegungen ins Spiel, wonach die Abmahnkosten im Datenschutzbereich nicht länger dem Abgemahnten aufgebürdet oder gedeckelt werden sollten.

Auch SPD-Abgeordnete erwärmen sich mittlerweile für einen solchen Schritt. Das Instrument der Abmahnungen werde seit Langem missbraucht, monierte der Digitalexperte Jens Zimmermann. Schwarz-Rot habe daher schon in den Koalitionsvereinbarungen Gegenvorkehrungen angekündigt, "die wir jetzt umsetzen". Die DSGVO sei "kein Grund zur Panik, aber ein guter Grund zum Aufräumen", konstatierte die SPD-Netzpolitikerin Saskia Esken. Nicht alle gesammelten Daten würden auch gebraucht. Da sei es die Mühen und Kosten schon wert, die eigenen Webseiten anzupassen.

"Eine im Kern gute Sache verunsichert flächendeckend", beklagte Anke Domscheit-Berg für die Linke. Die Bundesregierung habe es versäumt, die EU-Vorgaben vernünftig in nationales Recht zu überführen und in der Gesellschaft zu begleiten. Dabei habe nun endlich "jeder Einzelne eine Handhabe gegen Großkonzerne" und die Privatsphäre in der digitalen Welt wieder eine Chance. Hilfreich wäre aber "eine Art 'Freischuss' für die Kleinen", bis diese eine EU-konforme Umsetzung hinbrächten. Zudem müsse "Schluss sein mit der spezifisch deutschen Abmahnindustrie".

Die grüne Netzexpertin Tabea Rößner warf der Bundesregierung ebenfalls vor, die Unternehmen und Bürger nicht ausreichend auf die DSGVO vorbereitet zu haben. Sie halte nichts davon, potenziell verbliebene Problemfelder "jetzt im Husch-Husch-Verfahren zu flicken" und eine Übergangslösung noch vor der Sommerpause durchzuschleusen. Nötig seien "differenzierte Ansätze" statt "Panikmache". Für die FDP wetterte Manuel Höferlin, dass die Koalition nationale Anpassungsmöglichkeiten etwa zu Ausnahmen für kleine Firmen und Vereine nicht genutzt habe: "Facebook holt sich die Einwilligung für Gesichtserkennung, Tante Traudls Blog wird vom Netz genommen aus Angst vor Abmahnschreiben." Die anlaufende Welle müsse rasch gestoppt werden.

Am schärfsten ging Joana Cotar von der AfD mit der Verordnung und ihren Machern ins Gericht. Die "Altparteien" hätten auf EU-Ebene diesen "Mist beschlossen", der "an Irrsinn kaum zu toppen ist". Zwei Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments hätten wenig dazu beigetragen, das neue Recht verständlich zu machen. "Die Googles und Facebooks" sollten getroffen werden, rausgekommen sei aber ein "Konjunkturprogramm für Abmahnanwälte" auf Kosten des "kleinen Manns". Auch die NSA-Schnüffelei und der Einsatz von Staatstrojanern gehe unvermindert weiter. Cotar forderte daher, die DSGVO "mit sofortiger Wirkung auszusetzen und zu überarbeiten". (anw)