EU-Parlamentarier drängeln auf .eu-Domain

Mehr Unabhängigkeit für die ICANN von der US-Regierung und eine Harmonisierung der ccTLD-Verwaltung stehen zudem auf der Agenda des EU-Parlaments.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Mehr Unabhängigkeit für die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), eine Harmonisierung der Verwaltungen der Länderadressbereiche (ccTLDs) und die möglichst schnelle Schaffung eines Adressbereichs für die Union unter .eu fordern die Abgeordneten des Europaparlaments. Der EU-Adressbereich soll sogar "Modell" für die Länderadressbereiche und das Registriergeschäft insgesamt werden, wünschen die Parlamentarier. Überhaupt soll die Internetgesetzgebung in den Mitgliedsstaaten harmonisert und deren Beachtung auch auf die Liste der Anforderungen für Neumitglieder gesetzt werden.

Die Mitte März gefaßte Entschließung ist die Antwort des Parlaments auf das von der Kommission vorgelegte Grundsatzpapier zu "Organisation und Verwaltung des Internet" und beschäftigt sich deshalb mit einer ganzen Liste von Fragen. Deutlich ist die Kritik an der Sonderstellung, die die USA bei der Aufsicht über die ICANN besitzt. "Das Europäische Parlament betrachtet es als notwendig, die Unabhängigkeit ICANNs von der US-Regierung zu garantieren und einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, in dem sich (ICANN) in Zukunft bewegt [...]." Auch auf die internationale Repräsentativität in der Organisation pochen die EU-Parlamentarier und fordern offensichtlich mit Blick auf die Diskussionen um die Mitgliedschaft der Internet-Nutzer bei der ICANN (At-large-Mitglieder) weiter die "Einführung eines transparenten Prozesses für die Mitgliedschaft". Die Demokratisierung und Internationalisierung der Organisation, so die Grundsatzposition, müssten abgeschlossen werden.

Leise Mahnungen gehen auch an die Adresse der ICANN, die an ihre Verpflichtung zu transparenten Entscheidungen erinnert wird. So sei es wichtig, "möglichst rasch den Rückstand aufzuholen, der bei der Einführung der sieben neuen Bereichsnamen entstanden ist, und generell transparenter und demokratischer vorzugehen, wenn es künftig darum geht, weitere neue Bereichsnamen einzuführen."

"Ich glaube nicht, dass der Bericht Kritik an den USA übt", teilte der für die Vorbereitung der Entscheidung verantwortliche Berichterstatter Massimo Carraro gegenüber heise online mit. Er sei persönlich von der wichtigen Rolle überzeugt, die die USA bei der Entwicklung des Internet habe. "Heute ist die Situation aber eine andere: Das Internet hat inzwischen eine beträchtliche Zahl von Nutzern, und aus diesem Grund halte ich es für notwendig, Unabhängigkeit für die ICANN nicht nur von der Regierung der USA, sondern auch von der Bürokratie der Gemeinschaft zu erreichen." ICANN müsse, so italienische Abgeordnete, internationale Neutralität wahren und auf das Prinzip der Selbstregulierung aufgebaut sein.

Ganz eindeutig ist allerdings die Haltung des Parlamentes in der Frage Selbstregulierung versus gesetzlicher Regulierung nicht, wird doch die Rolle des Regierungsbeirates der ICANN noch einmal grundsätzlich betont. Vor allem aber stehen die Überlegungen von einer Harmonisierung der Registrierpolitik für die Länderadressbereiche der Mitgliedsstaaten im Widerspruch zur Selbstregulierungsidee. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, die Registierung von Domains in ihrem Land EU-einheitlich zu regulieren.

Die Registrierpolitik wird bislang in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich – und normalerweise eben nicht gesetzlich, sondern von den Registrierstellen selbst – geregelt. "Ich denke, man kann angesichts der gewachsenen Verfahren aus einer .de nicht eine .fr machen", sagt die Geschäftsführerin des DeNIC, Sabine Dolderer. .de-Adressen werden nach wesentlich liberaleren Grundsätzen vergeben als die Adressen in Frankreich. Strenge Regeln für die Namensvergabe führten aber vor allem dazu, dass weniger Adressen registriert werden und die Nutzer in den .com-Bereich ausweichen. Immer mehr Länderadressbereiche in Europa entscheiden sich daher für liberalere Registrierrichtlinien.

"Das Binnenmarktsprinzip ist so etwas wie ein Mantra in der Union", erklärt die EU-Abgeordnete Erika Mann (SPD). "Allerdings halte ich nichts von einer Harmonisierung, die bereits fortgeschrittenere Vorstellungen in den Mitgliedsstaaten einschränkt." Im vorliegenden Fall macht dies ihrer Meinung nach keinen Sinn. Der Widerspruch in der Entschließung sei allenfalls dadurch erklärbar, dass man unterschiedliche Interessen habe bedienen wollen.

Interessen, die mit bedient wurden, sind deutlich die Markenschutzinteressen. Denn die Harmonisierung von Marken- und Namensrechtsstreitigkeiten ist ein zentrales Anliegen des Dokumentes. Die Kommission, der das Parlament generell eine zentrale Rolle in der euroäischen "Internetpolitik" – etwa auch bei der Aufsicht des ICANN-Prozesses – zusprach, soll daher ein "effektives alternatives Schlichtungsverfahren fördern". Als Modell dafür sollen nach der Vorstellung des Parlamentes die außergerichtlichen Schlichterverfahren dienen, die die World Intellectual Property Organisation (WIPO) in Genf kürzlich vorgestellt hat. "Wir führen das ein, wenn wir müssen", betonte Dolderer. "Aber in Deutschland glaube ich einfach nicht an einen großen Bedarf."

Als strahlendes Beispiel für die Domain-Registrierung in Europa und international ist die .eu-Registry geplant, das Parlament sieht sie schon als das best-practice-Modell. Noch allerdings sind die Regeln für Europas Adressbereich nicht geschrieben, ja noch nicht einmal festgelegt, wer die Regeln aufsetzen und wieviel Selbstregulierung es dann auf euroäischer Ebene sein darf. (Monika Ermert) / (jk)