Was die EU in Zukunft von Lastkraftwagen verlangt

Klartext: Hinten am Lastenesel

Der Diesel ist ein ganz Schlimmer. Das wissen wir aus der Zeitung, wenn sie über PKW schreibt. In aller Abschaffstimmung vergessen wir dann aber gern die schweren Nutzfahrzeuge. Dort fährt jetzt der EU-Regelhammer hinein

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Ich war noch nie ein Freund davon, den Klimaschutz auf den Einzelwert des CO2-Äquivalents zusammenzuklumpen. Andererseits hatte ich über all die Jahre auch keine Idee, das Thema breitenwirksam genausogut oder besser zu vermitteln. Das Problem mit so einer unzulässig vereinfachten Darstellung zeigt sich gerade wieder im EU-Parlament. Schwere Nutzfahrzeuge sollen bis 2025 15 Prozent weniger CO2 emittieren, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein, wie bei PKW über den Flottenverbrauch pro Hersteller. Wer ein bisschen den Stand der Dieseltechnik verfolgt hat, weiß: Das ist in etwa, als verlange die EU, dass mindestens 50 Prozent der Mastschweine bis spätestens 2030 aus eigener Kraft ins Schlachthaus fliegen, um Tiertransporte zu reduzieren.

Die EU-Kommission dazu sieht das anders. Gegenüber der Wirtschaftswoche äußerten sie sich mit der kolossalen Fehleinschätzung, dass 15 Prozent Einsparung im ersten Geltungsjahr 2019 „mit einfachen technischen Lösungen“ erreichen zu seien, dass dieser Tage „spezielle Öle“ nach Jahrzehnten der Schmiermittelentwicklung immer noch für „erhebliche“ Reduktionen sorgen könnten. Das sagt einiges über die Zusammensetzung dieser Kommission aus: Ich vermute eher Sozialwissenschaften, Politik- oder Gesellschaftsfachleute als Ingenieure oder Physiker. Einerseits ist es ja erfreulich, dass die Politik im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung Rückenwind erhält für Zukunftsplanung. Andererseits sollte doch eben diese Zukunftsplanung realistisch und kompetent geführt werden. „Diesel ist des Satans“ reicht im NFZ-Bereich nicht aus, wo es derzeit keine verwendbare Infrastruktur für egal welchen anderen Energieträger gibt.

Nichts ist alternativlos

Die Alternativen sind bekannt. Schwerlastverkehr kann elektrisch kurze Strecken fahren. Selbst für 200 km Reichweite wiegt derzeit eine Batterie für einen Lkw etwa 3 Tonnen. Auch, wenn die Zellenkosten massiv bis magisch in einen ökonomischen Bereich sinken: Langstrecken-Batterien nähmen viel zu viel Nutzlast weg. Die EU müsste stabilere Straßen bauen und dann die Maximalmassenregeln anpassen. Dazu käme eine Lkw-Ladeinfrastruktur, die sich am besten mit den dringend benötigten neuen Lkw-Stellplätzen für die Nacht deckt. Kann man alles machen, haben wir aber nicht, und wenn wir das 2030 wollen, hätten wir vor 20 Jahren angefangen haben müssen oder ab jetzt alles Geld darauf werfen. Sinnvoller wäre eine Stromversorgung während der Fahrt, am besten induktiv. Es gibt 5 Kilometer Teststrecke mit Siemens‘ lustigen Oberleitungen, sonst nichts. Hier könnte die EU sehr viel tun, aber dann müsste man eben mehr machen als stumpf Wunder verlangen.

Hybrid-Antriebe schaffen im Fernverkehr nach derzeitigem Technikstand keine Verbesserungen, die den enormen Aufwand lohnen (man rechne auch das gern in CO2-Äquivalenten). Sie punkten in Bereichen mit wechselnder Last, also etwa im Last-Mile-Lieferverkehr. Eine Renaissance kann ich mir vorstellen, wenn Stromversorgungs-Infrastruktur während der Fahrt wirklich gebaut wird (siehe eben), denn dann kann die Motorsteuerung den Diesel über weite Streckenteile abgeschaltet lassen. Trotz allem politischen Willen sehe ich in diesem Bereich jedoch ermüdend wenig Fortschritt.

Eine Hoffnung der NFZ-Branche liegt im Wasserstoff, der dieser Tage meist per Brennstoffzelle Elektromotoren versorgen soll. Grundsätzlich denkbar bleibt natürlich auch, Wasserstoff im Hubkolbenmotor zu verbrennen. Das Volumen der Tanks stiege gegenüber Diesel auf ein Vielfaches, bliebe aber im handhabbaren Bereich. Über diese Technik reden sich alle Verkehrsbereiche seit Jahrzehnten die Münder fusselig, weil es ja auch hier um Infrastruktur geht. Passiert ist die ganze Zeit fast nichts. Der Zeitverlauf zeigt über die Jahre eine recht statische, eher sinkende Anzahl an H2-Tankstellen, die Abfall-Wasserstoff aus der chemischen Industrie anbieten. Rund um diese Tankstellen kann eine Gemeinde zum Beispiel einen Wasserstoff-Bus fahren lassen. H2-Schwerlastverkehr bräuchte den seit denselben Jahrzehnten beschworenen massiven Ausbau der H2-Infrastruktur, mit Gewinnung aus Windstrom-Überproduktion und allem Pipapo. Auch das könnte die EU durchaus mit dem dicken Geldschlauch angehen. Tut sie aber nicht.

Ein Horizont bis zur Auspuffkante

Die Nutzfahrzeug-Branche hatte keine Betrugskrise, denn die strenger kontrollierten Gesetze, die jetzt PKW sauberer machen, gelten dort schon lange. Diesen Fortschritt kann jeder erleben, der sich einmal in den Abgasstrom eines modernen Lkw stellt und zum Vergleich einmal den eines der verbliebenen Ostblock-Relikte. Die fast alleinige Nutzung von Dieselkraftstoff als Energieträger hängt nicht nur am Preis. Flüssiger Treibstoff dieser Energiedichte hat erhebliche technische, ökonomische und umweltpolitische Vorteile. Das Grundproblem der EU-Regelung ist nicht ihr Wille, die CO2-Emissionen erheblich zu senken. Im Gegenteil dürfte die EU wegen mir auch gern mit minus 50 Prozent bis 2040 planen. Nein, das Grundproblem ist, das Problem ganz lokal an den Lkw zu verorten, wo es gar nicht entsteht.